Japan und China steuern auf Kollisionskurs
Peking/Tokio - Die Beziehungen zwischen China und Japan sind auf den tiefsten Stand seit Jahren gefallen. In dem Streit um einen Zwischenfall in einem umstrittenen Seegebiet machen sich beide Seiten gegenseitig Vorwürfe.
Ursprünglich geplante Treffen zwischen den Regierungen wurden kurzfristig abgesagt. Mit scharfen Worten machte Chinas Außenministerium am Dienstag die Regierung in Tokio für die Eskalation verantwortlich. "Die japanische Seite macht Fehler über Fehler und verschlimmert die Situation", sagte Außenamtssprecherin Jiang Yu vor der Presse in Peking.
Ein erwartetes Gespräch zwischen Chinas Regierungschef Wen Jiabao und Japans Premier Naoto Kan am Rande der Treffen der Vereinten Nationen in New York wird daher nicht stattfinden. "In der gegenwärtigen Atmosphäre ist es offensichtlich nicht angemessen, ein solches Treffen abzuhalten", sagte die Sprecherin. Auch japanische Vertreter, darunter der nationalistische Gouverneur Tokios, Shintaro Ishihara, sagten ihrerseits Treffen mit der chinesischen Seite ab.
Der Streit begann am 7. September, als die japanische Küstenwache an den Inseln ein chinesisches Fischerboot aufbrachte. Dabei kam es zu einer Kollision. Japans Behörden halten seither den Kapitän fest. Gegen ihn wird ermittelt. In dem Territorialstreit geht es auch um die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen und die Ausdehnung der jeweiligen Wirtschaftszonen in dem Seegebiet. "In Fragen des Territoriums und der Souveränität wird China nicht nachgeben", sagte die Sprecherin des Außenamtes in Peking.
Japans Regierung rief zur Mäßigung auf. "Die Zuständigen der Regierungen sowohl in Japan als auch in China sollten aufpassen, nicht zu sehr einen engstirnigen, extremen Nationalismus zu provozieren", sagte Regierungssprecher Yoshito Sengoku in Tokio. "Wir werden alle möglichen Kanäle nutzen, um China aufzufordern, die Angelegenheit zu lösen, ohne dass es eskaliert." Hingegen sieht China die japanische Seite am Zuge. Der Kapitän des Schiffes müsse sofort freigelassen werden. "Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in den Händen Japans", erwiderte Außenamtssprecherin Jiang Yu.
"Der Zwischenfall hat die Beziehungen schon stark beschädigt und die Kommunikation auf allen Ebenen beeinträchtigt", sagte Jiang Yu. Am Wochenende hatte China die Kontakte auf der Ebene von Ministerien und Provinzen eingefroren und weitere Gegenmaßnahmen angedroht. Im chinesischen Internet braut sich ein antijapanischer Sturm zusammen. In Umfragen werden Sanktionen oder die Entsendung von Kriegsschiffen gefordert. Zwei Konzerte der japanischen Popgruppe SMAP in Shanghai mussten abgesagt werden. Am Wochenende gab es in mehreren chinesischen Städten schon kleinere anti-japanische Proteste.
Japans Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa bezweifelte, dass Chinas Regierung und Bevölkerung ausreichend klar gemacht worden sei, dass es das chinesische Fischerboot gewesen sei, das mit den Schiffen der Küstenwache kollidiert sei. Peking müsse verstehen, wie Japan mit seinem Rechtssystem umgehe, sagte auch der Regierungssprecher. Der für rechtsnationalistische Äußerungen bekannte Gouverneur Tokios, Ishihara, sagte einen Besuch in China ab. "Selbst wenn die mich bitten, ich werde nicht fahren." Auch Tourismusminister Sumio Mabuchi verweigerte den Empfang eines hohen Vertreters aus China.
Finanzminister Yoshihiko Noda rief hingegen zur Besonnenheit auf und warnte vor Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen. China ist Japans größter Handelspartner und größter japanischer Auslandsmarkt für Exporte und Investitionen. China hat Japan gerade als zweitgrößte Volkswirtschaft überholt. Handelsminister Akihiro Ohata mahnte zur Ruhe. Er hoffe, der Streit werde nicht die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Japan, China und Südkorea stören.
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