Bundesbürger erhalten mehr Geld vom Staat
Steuersenkungen, Anreize beim Autokauf oder Abwrackprämie - wir beantworten die wichtigsten Fragen und verraten, wie viel Geld Sie sparen.
Berlin (AZ) - Mit dem größten Konjunkturprogramm der Nachkriegszeit nimmt die Koalition gigantische Beträge in die Hand, um die Wirtschaftskrise abzumildern. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie viel Euro hat der einzelne Bürger durch die Steuer- und Abgabensenkungen mehr in der Tasche?
Die Experten von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) haben die Entlastungen überschlagen: Ein Single ohne Kinder mit 25.000 Euro Jahreseinkommen spart im Jahr 2009 rund 137 Euro, ein Jahr später sind es dann 240 Euro. Bei einem Jahresgehalt von 36.000 Euro spart ein Alleinstehender etwa 173 Euro beziehungsweise 310 Euro. In einer Familie mit zwei Kindern, in der ein Elternteil arbeitet, sind es bei 36.000 Euro Einkommen 427 Euro in diesem Jahr, bei 42.000 Euro rund 547 Euro Entlastung. Im Jahr 2010 schlägt sich der fehlende Kinderbonus nieder. Entsprechend hat die schlechter verdienende Familie rund 391 Euro mehr Geld in der Tasche, die besserverdienende etwa 430 Euro.
Überblick: Entlastungen 2009
Annahme: Tarifänderung rückwirkend für 2009; Krankenkassenbeiträge ab 1.7.2009
Überblick: Entlastungen 2010
Annahme: Krankenkassenbeiträge konstant
Wann treten die Entlastungen in Kraft?
Ab dem 1. Juli 2009 sollen die Änderungen gelten.
Wie bekomme ich meine Steuern zurück?
Diese Aufgabe übernimmt der Arbeitgeber. Er berechnet das zusätzliche Geld und leitet es mit der Gehaltsabrechnung an die Arbeitnehmer weiter. Bei Selbstständigen übernimmt das Finanzamt die Rechenarbeit.
Wer erhält die Steuerentlastungen?
Machen Sie sich keine Sorgen. Alle Steuerzahler bekommen Geld zurück.
Wie profitieren Hartz-IV-Empfänger davon?
Weil sie keine Einkommenssteuer zahlen, profitieren Hartz-IV-Empfänger nicht von der Steuerentlastung. Allerdings wird der Regelsatz für Kinder aus Hartz-IV-Familien von 60 auf 70 Prozent erhöht. Dies entspricht nun 246 statt wie bisher 211 Euro im Monat bei Kindern zwischen sechs und 13 Jahren.
Wie werden Kinder-Bonus und Abwrack-Prämie abgewickelt?
In den Ministerien wird noch darüber diskutiert, wie sich diese Beschlüsse umsetzen lassen.
Ist der Kinderbonus von 100 Euro eigentlich ein verkappter Konsumscheck?
Ja. Davon profitieren direkt vor allem Familien mit niedrigen Einkommen. Bei Besserverdienern wird der Bonus in der Steuererklärung mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. Der einmalige Bonus soll schon im März oder April unkompliziert mit dem Kindergeld überwiesen werden.
Fallen die Verbraucher jetzt in einen Konsumrausch und kurbeln die Wirtschaft an?
Das hofft die Koalition. In der Vergangenheit brachten aber selbst große Steuerprogramme und Einmalzahlungen meist nicht den gewünschten Erfolg. In den USA überwies die Bush-Regierung im Sommer 2008 rund 70 Millionen Amerikanern je knapp 1000 Dollar. Der große Nachfrageschub blieb aus. Gerade in Krisenzeiten scheuen die Verbraucher größere Anschaffungen. Wer es sich leisten kann, spart.
Besonders mies geht es den Autobauern. Wie will der Staat ihnen helfen?
Schon im Konjunkturpaket I gab es einen Steuerbonus. Wer einen Öko-Neuwagen kauft, zahlt bis zu zwei Jahre keine Kfz-Steuer. Bei Klein- und Mittelklasse-Wagen bringt das aber nicht viel. Um den dramatischen Absatzrückgang der wichtigsten Industrie-Branche zu stoppen, haben Union und SPD nachgelegt. Wer seinen alten Stinker verschrottet und auf einen Neuwagen umsteigt, bekommt einen Zuschuss von 2500 Euro.
Die deutschen Autobauer wollen doch vor allem teure Limousinen verkaufen, was haben sie von der Prämie?
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer hält den Zuschuss für ein Konjunkturprogramm für die Autobauer aus Frankreich, Italien und Asien auf Kosten der deutschen Steuerzahler. "Die Gewinner sind die Hersteller von preisgünstigen und kleinen Autos. Fast 90 Prozent der Autos unter 10.000 Euro kommen von den Importeuren."
Gibt es Branchen, die direkt von den Milliarden-Hilfen profitieren?
Ja, die Baubranche und viele Handwerksbetriebe. Bund, Länder und Kommunen wollen in den nächsten zwei Jahren 18 Milliarden Euro in die Infrastruktur stecken. Der Bau von Straßen, Schulen, Sporthallen, Kindergärten und Spielplätzen sichert Jobs und erhöht die Lebensqualität der Bürger.
Was halten Ökonomen von den Beschlüssen?
Der Chef der Wirtschaftsweisen Bert Rürup rechnet damit, dass das Paket den Wirtschaftseinbruch um etwa 0,5 Prozent abschwächt. Auch sein Kollege Peter Bofinger ist optimistisch. Die Maßnahmen hätten das Zeug, die Rezession zu dämpfen. Das Münchner ifo-Institut hält dagegen. So schnell werde Deutschland nicht aus dem Abschwung kommen - egal, was der Staat dagegen unternimmt.
Wann kommt das Konjunkturpaket III?
Ausgeschlossen ist das nicht. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, keiner weiß, was in den nächsten Krisenmonaten auf Deutschland noch zukommt. Viel Spielraum hat der Staat nicht mehr, wenn er sich an den europäischen Schuldenpakt halten will. Der Neuverschuldung des Bundes steigt nach den Paketen I und II 2009 wohl auf den Rekordstand von 60 Milliarden Euro. Bislang war der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) 1996 mit gut 40 Milliarden Euro Schuldenmeister der Nation.
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