Georgien erklärt Waffenstillstand
Georgien hat eine sofortige einseitige Waffenruhe in seiner abtrünnigenRegion Südossetien verkündet. Russland bestätigte am Sonntag den Erhalteiner entsprechenden Note.
Moskau/Tiflis (dpa) - Georgien hat eine sofortige einseitige Waffenruhe in seiner abtrünnigen Region Südossetien verkündet. Russland bestätigte am Sonntag den Erhalt einer entsprechenden Note.
Zugleich kritisierte Moskau aber die Fortsetzung von Kampfhandlungen durch Georgien in der Konfliktregion. Das meldete die Agentur Interfax.
In der Note erklärte sich Georgien verhandlungsbereit, hieß es in der Reaktion aus Moskau. Auf Anordnung von Georgiens Präsident Michail Saakaschwili werde mit dem 10. August (heute) das Feuer in Südossetien eingestellt, teilte das Außenministerium in Tiflis mit.
Nach georgischen Angaben seien alle "Militäreinheiten aus dem Konfliktgebiet" abgezogen worden. "Georgien hat einen Korridor für humanitäre Zwecke geschaffen und ermöglicht es der Bevölkerung sowie den Verletzten, das Konfliktgebiet zu verlassen", teilte das Außenministerium in Tiflis mit.
Zuvor wurde gemeldet, Russland hat nach offiziellen Angaben aus Tiflis bisher 15 Städte in Georgien bombardiert. Das sagte der Sekretär des georgischen Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaia, in einer Telefonkonferenz am Sonntag.
"Wir haben es hier mit einer totalen russischen Aggression und Invasion zu tun - zu Land, zu Luft und zu See", sagte Lomaia. Nach dreitägigen Kämpfen im Südkaukasus haben russische Truppen unterdessen die Hauptstadt des von Georgien abtrünnigen Gebietes Südossetien, Zchinwali, unter ihre Kontrolle gebracht.
Die georgischen Einheiten, die vor drei Tagen einmarschiert waren, zogen sich am Sonntag nach Angaben der Regierung in Tiflis in die Berge um Zchinwali zurück. In den Trümmern der weitgehend zerstörten Stadt harrten tausende Zivilisten aus. Augenzeugen berichteten im Tagesverlauf von vereinzeltem Beschuss. Nach unbestätigten Angaben aus Moskau starben bislang mehr als 2000 Menschen. In dem ebenfalls von Georgien abtrünnigen Gebiet Abchasien weitete sich der Konflikt aus.
Russland bestätigte den Rückzug georgischer Truppen aus Zchinwali. Der Großteil der Stadt werde von russischen Soldaten kontrolliert. "Wir kämpfen nicht gegen den georgischen Staat, sondern führen eine Friedensmission aus", sagte der Stellvertreter des russischen Generalstab-Chefs, Anatoli Nogowizyn, am Sonntag in Moskau.
Bei den Gefechten in Südossetien wurde der Oberkommandierende der russischen Truppen, General Anatoli Chrulew, verletzt. Der Kommandeur der 58. Armee sei nach Artilleriebeschuss mit Splitterverletzungen in ein Krankenhaus in Russland gebracht worden, teilte der Generalstab in Moskau am Sonntag nach Angaben der Agentur Interfax mit.
Die moskautreuen Machthaber in der international nicht anerkannten Republik Abchasien am Schwarzen Meer riefen die Mobilmachung ihrer Truppen aus. Abchasische Streitkräfte rückten im Landkreis Gali gegen georgische Stellungen vor, wie das abchasische Militär nach Angaben der Agentur Interfax mitteilte. Etwa 100 Kilometer nördlich von Gali griffen Kampfbomber den von Georgien kontrollierten oberen Teil des Kodori-Tals an.
Vor der Küste errichtete die russische Kriegsmarine eine Seeblockade, um eine Belieferung georgischer Häfen mit Waffen oder anderen Gütern zu verhindern. Die Kämpfe hatten am Freitag mit einer georgischen Militäroffensive nach Südossetien begonnen. Beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld für die Eskalation des seit Jahren schwelenden Konflikts.
Russland schickte am Sonntag Dutzende weitere Panzer, Militärtransporter und mobile Geschütze nach Südossetien. In dem Separatistengebiet seien mittlerweile 10.000 russische Soldaten sowie 300 Panzer stationiert, meldete der georgische Fernsehsender Rustawi2.
Russische Kampfbomber griffen erneut Ziele in Zentralgeorgien an. Georgische Medien berichteten, dass ein Militärflugplatz nahe der Hauptstadt Tiflis getroffen worden sei. Georgiens Parlamentsvorsitzender David Bakradse beschuldigte Russland, sein Land erobern zu wollen. "Wir müssen dem Feind an jedem Ort organisiert und standhaft Widerstand leisten", forderte Bakradse in einer Fernsehansprache. In Moskau sicherte der russische Präsident Dmitri Medwedew den Menschen in Südossetien eine umfassende Wiederaufbauhilfe zu.
In dem Flüchtlingsdrama waren in den vergangenen Tagen mehr als 30.000 Menschen ins benachbarte Nordossetien geflohen. Die südossetische Führung sprach von einer humanitären Katastrophe. Tausende Menschen harrten noch in der zerstörten Stadt Tchinwali aus. Lebensmittel und Medikamente seien knapp. In den Straßen lägen Leichen, hieß es in einem Behördenbericht. Georgische und russische Militärs verhandelten über einen Korridor für den Abtransport von Verletzten aus Zchinwali. Tiflis bezifferte die Zahl der getöteten Georgier bei den Kämpfen auf etwa 200.
In der Nacht erklärte sich der UN-Sicherheitsrat wegen Russlands Verwicklung in die Feindseligkeiten für handlungsunfähig. Der amtierende Ratspräsident Jan Grauls (Belgien) verzichtete bei einer Dringlichkeitssitzung am Samstagabend darauf, die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Region zur Abstimmung zu bringen. Angesichts der veränderten Lage vor Ort sei er zu dem Schluss gekommen, dass sich im Rat dazu keine gemeinsame Linie finden lasse, sagte Grauls in New York.
Russland, das ein Vetorecht im Sicherheitsrat hat, lehnte eine Waffenruhe ab. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin forderte ultimativ den Abzug georgischer Truppen aus der abtrünnigen Region Südossetien, erst dann könne über weitere Schritte gesprochen werden. "Das ist eine klare Bedingung", sagte er nach der Sitzung.
Der russische Menschenrechtsbeauftragter Wladimir Lukin forderte angesichts der jüngsten Gewalt in Südossetien die Einberufung eines internationalen Tribunals. "Die Verantwortlichen müssen vor ein internationales Gericht gebracht werden", sagte Lukin am Sonntag nach Angaben von Interfax in Moskau. Russlands Regierungschef Wladimir Putin hatte nach Gesprächen mit südossetischen Flüchtlingen Georgien vorgeworfen, einen Völkermord in der abtrünnigen Provinz zu verüben.
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