Netz-Aktivisten enttarnen in der Region Nachrichtenfälscher
Im Internet kursieren immer mehr Lügenmeldungen über Flüchtlinge und angebliche Terrorgefahren. Aktivisten gehen gegen Online-Hetzer vor - auch in unserer Region.
Die Verunsicherung nach den Terroranschlägen von Paris ist groß. Als ob die Angst vor Attentaten noch nicht schlimm genug wäre, sorgen Falschmeldungen im Internet für zusätzliche Verwirrung. Auf Facebook kursierte jüngst ein Bild von einem Bus, der von maskierten Polizisten mit Maschinengewehren und Polizeiautos umstellt war.
Dabei soll es sich um einen Anti-Terror-Einsatz im sächsischen Oederan gehandelt haben, bei dem elf syrische Flüchtlinge verhaftet worden seien. Das behauptet jedenfalls ein Facebook-Nutzer. In seiner Statusmeldung heißt es weiter: „Den Beamten gelang es wohl noch im letzten Moment, einzuschreiten, denn mehrere IS-Kämpfer sollen sich an Bord dieses Busses aufgehalten haben.“ Als Quelle nennt der Verfasser „inoffizielle Angaben“. In drei Stunden teilten den Beitrag mehr als 1200 User.
Andre Wolf hat sich das Foto genauer angesehen. Der 38-Jährige arbeitet für Mimikama – einem österreichischen Verein, der Falschmeldungen in sozialen Medien aufspürt und auf deren Wahrheitsgehalt prüft. Wolfs Urteil: „Die Fälschungen sind offensichtlich. Der einzige Einsatz, der hier stattgefunden hat, war bei Photoshop.“ Dass er recht hat, zeigt der Vergleich mit dem Originalfoto: Sowohl Polizisten als auch Einsatzfahrzeuge wurden im Nachhinein eingefügt. Das Original zeigte hingegen nur eine harmlose Buspanne.
Mimikama spürt Falschmeldungen in sozialen Medien auf
Um die Fakes zu entlarven, arbeitet Mimikama eng mit den Behörden zusammen. Meist entlarvt ein einfacher Anruf bei der Polizei die Falschmelder. Angezeigt werden die Betrüger von Wolf und seinen Kollegen aber nur selten. „Dazu fehlen uns die Kapazitäten“, sagt Wolf. Manche Polizeidienststellen übernehmen schon die Arbeit von Mimikama und veröffentlichen selbst Richtigstellungen zu angeblichen Verbrechen. „Leider“, sagt Andre Wolf, „haben Korrekturen und Richtigstellungen aber nie die Verbreitung und die Zahl der Klicks wie die Fakes selbst.“
Seit der Flüchtlingsdebatte ist die Zahl von Falschmeldungen im Internet rasant gestiegen. Im Mai entlarvte Mimikama nur durchschnittlich zwei Fakes pro Woche. Mittlerweile sind es mehr als zwanzig. Gezielt gestreut von Menschen, die Hass und Hetze schüren wollen. Die Vorwürfe, die gegen Flüchtlinge erhoben werden, sind oft ungeheuerlich und falsch. Sie töten Ziegen, vergewaltigen Frauen oder gehen auf Raubzüge. Warum teilen so viele Menschen solche Falschmeldungen? „Vermutlich weil sie in ihr Weltbild passen“, sagt Wolf.
Ursprünglich beschäftigte sich die Internetseite mimikama.at mit Verbraucherthemen wie Abo-Fallen oder Phishing. „Wir wollten zeigen, dass nicht alles stimmt, was auf Facebook gepostet wird“, erklärt der studierte Theologe Wolf. Heute helfen ihm und dem Mimikama-Gründer Tom Wannenmacher 15 Ehrenamtliche, die auf Meldungen von Facebook-Nutzern zu allen möglichen Themen reagieren und Fälschungen nachzuweisen versuchen.
Facebook hilft nur wenig
Mit dem US-Unternehmen Facebook steht Mimikama mittlerweile in Kontakt. Wolf sagt aber: „Facebook unterstützt uns längst nicht genug. Hetze ist dort einfach nicht das vordringliche Thema.“ Finanziert wird der Verein durch Werbung. Spenden machen einen kleinen Teil der Einnahmen aus.
Auch der Augsburger Blogger Thomas Laschyk beschäftigt sich mit Falschmeldungen. Kürzlich hat der 23-Jährige auf seiner Internet-Seite „Der Volksverpetzer“ selbst eine Fake-Nachricht veröffentlicht. Bewusst. Laschyk postete ein Bild von Müllbergen. Dazu die Überschrift: „Skandal! Flüchtlinge vermüllen Augsburger Innenstadt.“ Mehr als tausend Nutzer teilten die Meldung binnen weniger Stunden. Darunter auch einige Pegida-Anhänger. Für Laschyk ein Zeichen, dass viele nur Überschrift und Vorspann auf Facebook gelesen haben. Denn die Wahrheit lag einen Klick weiter unter dem Bild: „Danke, dass du diesen Artikel angeklickt hast. Du hättest dich auch aufregen können, ohne mehr als die Überschrift gelesen zu haben. Das stimmt natürlich alles nicht. Kein Flüchtling hat in Augsburg irgendwas vermüllt.“ Das Bild sei eigentlich in Marseille während eines Streiks der Müllabfuhr aufgenommen worden.
Laschyks Falschmeldung sorgte in den sozialen Netzwerken für Wirbel. Kritiker warfen ihm Schwindel vor. Der Blogger nennt es Wahrheit. „Ich wollte den Menschen einen Spiegel vorhalten. Vielen Leuten fehlt es heute an Medienkompetenz. Sie neigen dazu, nur Inhalte zu glauben, die Freunde auf Facebook oder Twitter teilen.“ Auch SPD-Vizeparteichef Ralf Stegner teilte Laschyks Beitrag. Die Reaktion eines Users: „Glaubt keiner Hetze im Netz, auch den Sprüchen dieses Berufspolitikers nicht!“
Was können Fake News anrichten und wie sind sie zu erkennen? Darüber spricht der Gründer des Anti-Fake-News-Blogs Volksverpetzer im Podcast "Augsburg, meine Stadt":
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