Syrische Regierung verliert ranghohen Politiker an Rebellen
Während der Revolte in Syrien ist der Vize-Ölminister Abdo Hussameddin zu den Aufständischen übergelaufen. Er lebt in Angst: "Dieses Regime wird meine Familie verfolgen"
Als erstes Regierungsmitglied hat der Vize-Ölminister Abdo Hussameddin in Syrien dem Dikatator Baschar al-Assad den Rücken gekehrt. Die syrische Opposition hat das Überlaufen von Hussameddin zu den Aufständischen begrüßt. "Ich begrüße, dass sich der Vize-Minister abgesetzt hat", sagte der Chef des Syrischen Nationalrates, Burhan Ghaliun.
Opposition: Andere Regierungsmitglieder werden folgen
"Ich bin mir sicher, dass andere Regierungsmitglieder und Politiker das gleiche tun werden", fügte der im französischen Exil lebende Oppositionelle hinzu. Ghaliun forderte alle Vertreter der syrischen Führung ausdrücklich auf, dem Beispiel Hussameddins zu folgen und sich der Revolution anzuschließen.
Erstmals seit Beginn der Revolte vor einem Jahr ist ein ranghohes Mitglied der syrischen Regierung zu den Aufständischen übergelaufen. Vize-Ölminister Abdo Hussameddin kündigte seinen Rücktritt in der Nacht zu Donnerstag an und riet seinen Kollegen, ebenfalls "das sinkende Schiff" zu verlassen. Russland warf Libyen vor, in einem Spezialcamp syrische Rebellen auszubilden und sie dann für Angriffe auf die Regierung zurückzuschicken.
Abkehr vom Regime auf Youtube angekündigt
"Ich, der Ingenieur Abdo Hussameddin, stellvertretender Ölminister, kündige hiermit meine Abkehr vom Regime und meinen Rücktritt an", sagte Hussameddin in einem auf Youtube veröffentlichten Video. Er schließe sich nun der Revolution des Volkes an, "das die Ungerechtigkeit und die brutale Kampagne des Regimes zurückweist". Das Volk fordere lediglich "Freiheit und Würde".
Hussameddin: "Dieses Regime wird meine Familie verfolgen"
Der syrische Vize-Minister sagte in dem Video, er habe 33 Jahre lang für die syrische Regierung gearbeitet. Er wolle nun aber nicht im Dienst eines "kriminellen Regimes" enden. Er sei sich durchaus bewusst, dass seine Entscheidung Folgen haben werde. "Dieses Regime wird mein Haus niederbrennen, meine Familie verfolgen und Lügen verbreiten", sagte er. Trotzdem rate er all seinen Kollegen, seinem Beispiel zu folgen.
Ein Aktivist namens Rami, der das Video nach eigenen Angaben drehte und ins Internet stellte, sagte in der libanesischen Hauptstadt Beirut, die Opposition habe dabei geholfen, Hussameddins Übertritt zu organisieren. Wo dieser sich aufhielt und wo das Video aufgenommen wurde, wollte er aus Sicherheitsgründen nicht sagen.
Russland und China: Verbündete der "Morde am syrischen Volk"
Hussameddin kritisierte in dem gut vierminüten Stück zudem Russland und China scharf für ihr Veto gegen eine Verurteilung der Gewalt in Syrien durch den UN-Sicherheitsrat. Diese Länder seien "keine Freunde des syrischen Volkes", sagte er, sondern Verbündete der "Morde am syrischen Volk". Russland gilt als einer der wichtigsten Verbündeten Syriens und machte für die eskalierende Gewalt stets sowohl die Aufständischen als auch die Führung von Staatschef Baschar al-Assad verantwortlich.
Im UN-Sicherheitsrat sagte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin am Mittwoch, ihm lägen Informationen über ein von den libyschen Behörden geduldetes Lager vor, in dem "syrische Aufständische" geschult würden. Dies sei "vollkommen inakzeptabel" und untergrabe die Stabilität in der Region. Tschurkin äußerte sich während eines Treffens zu Libyen, an dem auch der Chef der libyschen Übergangsregierung, Abdel Rahim al-Kib, teilnahm. Dieser äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.
US-Verteidigungsminister Leon Panetta kündigte unterdessen im Senat an, die Aufständischen mit Kommunikationsmitteln versorgen zu wollen. Derzeit würden "mögliche zusätzliche Schritte" geprüft, wie dem syrischen Volk in Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern geholfen werden könne, sagte er. Einseitigen Militäraktionen erteilte die US-Regierung aber bereits eine Absage. Der tunesische Präsident Moncef Marzouki erneuerte sein Angebot, Assad politisches Asyl zu gewähren.
7500 Syrer getötet
Die Zahl der Toten während des seit einem Jahr anhaltenden Konflikts stieg nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mittlerweile auf knapp 8500, die UNO geht von mehr als 7500 Getöteten aus. Am Mittwoch besuchte die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos die drittgrößte Stadt Homs. Sie ist ihren Angaben zufolge "total zerstört" und nahezu menschenleer.
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