Heiner Geißler - vom jungen Wilden zum alten Wilden
Einst modernisierte Heiner Geißler, der heute 85 Jahre alt wird, die CDU. Heute wird der Mann, der keinem Konflikt aus dem Weg ging, als Schlichter geschätzt.
Von wegen milde, friedlich und altersweise. Die Lust an der Auseinandersetzung und die Freude an der Provokation hat Heiner Geißler nicht verloren. Noch immer mischt sich der streitbare frühere CDU-Generalsekretär, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, in die politische Debatte ein und überrascht mit unorthodoxen Vorschlägen.
So forderte er in diesen Tagen, anstelle von Sinti- und Roma-Flüchtlingen vom Balkan lieber Islamisten, Salafisten und Hassprediger auszuweisen. Und im Rückblick meinte er: „Ich hätte noch mehr Krach schlagen müssen.“ Dabei hat es in seinem langen politischen Wirken an Krach nicht gefehlt. Der aus Oberndorf am Neckar stammende Jurist, der das von Jesuiten geleitete Kolleg St. Blasien im Schwarzwald besuchte und vier Jahre als Novize dem Jesuitenorden angehörte, galt Zeit seines Lebens als Querdenker und Provokateur.
Heiner Geißler: Großer Politiker mit Sinn für Veränderungen
Früh schon schloss er sich der CDU an. 1965 zog er erstmals als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Reutlingen in den Deutschen Bundestag ein, ab 1980 vertrat er den Wahlkreis Südpfalz. Geißler gehörte zu den „jungen Wilden“ in der CDU, die sich in der Spätphase der Adenauer-Ära aufmachten, den reichlich verkrusteten und bieder wirkenden Kanzlerwahlverein zu modernisieren. Als Sozialminister von Rheinland-Pfalz von 1967 bis 1977 brachte er das erste Kindergartengesetz und das erste Sportfördergesetz in der Geschichte Deutschlands auf den Weg, zudem war er Gründer und Initiator der ersten Sozialstationen.
Sein Mentor Helmut Kohl ernannte ihn nach der „Wende“ 1982 zum Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. In seine Amtszeit fielen unter anderem die Neuordnung des Zivildienstes, das Erziehungsgeld und der Erziehungsurlaub und die Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung.
Auch im Alter geht Heiner Geißler keinem Konflikt aus dem Weg
Zwölf Jahre, von 1977 bis 1989, war der begeisterte Bergsteiger und Drachenflieger CDU-Generalsekretär, niemand amtierte länger als er. Keinem Konflikt mit dem politischen Gegner ging er aus dem Weg. So warf er den Sozialdemokraten und Grünen vor, die „fünfte Kolonne Moskaus“ zu sein, und im Zusammenhang mit den Protesten am Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung von Pershing-Raketen attackierte er die Friedensbewegung mit den Worten, „Pazifismus der dreißiger Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht“.
Da Geißler zu den CDU-Politikern um Lothar Späth und Rita Süssmuth gehörte, die Helmut Kohl 1989 als Parteichef stürzen wollten, verlor er sein Amt als Generalsekretär.
Auch als Rentner blieb er beschäftigt. Regelmäßig vermittelte er als Schlichter in festgefahrenen Tarifkonflikten, 2007 schloss er sich gar den Globalisierungsgegnern von „Attac“ an. Und noch einmal im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stand er, als er in den Jahren 2010 und 2011 als Schlichter im Konflikt um das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ fungierte. Demnächst erscheint sein Buch „Was müsste Luther heute sagen?“.
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