
UN-Beobachter setzen Mission aus - Dramatische Lage in Homs

Zwei Monate nach Beginn haben die UN-Beobachter in Syrien ihre Mission vorerst abgebrochen. Für Familien in Homs wird die Lage dramatisch
Der Einsatz werde wegen "der Verstärkung der Gewalt" und den Risiken für die unbewaffneten Beobachter ausgesetzt, teilte Missionschef Robert Mood am Samstag mit. Es wird zu gefährlich. Aktivisten meldeten erneut dutzende Tote und forderten von der UNO eine Rettungsaktion für tausend eingeschlossene und unter Beschuss stehende Familien in der Stadt Homs.
1000 Familien ohne Essen
Hier verschlimmert sich die Lage von Zivilisten, die in vier Stadtteilen von Homs eingeschlossen sind, dramatisch. Mehr als 1000 Familien "haben nichts mehr zu essen und keinen Zugang zu ärztlicher Betreuung", erklärte ein Mitarbeiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London. "Menschen sterben dahin", fügte er hinzu.
Allein 200 Menschen seien verletzt und bedürften dringender medizinischer Hilfe, die sie vor Ort nicht erhalten könnten. Die betroffenen Stadtteile Altstadt, Al-Chalidija, Dschurat al-Schiah und Kusur würden von Regimetruppen belagert und regelmäßg beschossen.
Wiederaufnahme der Mission wird täglich geprüft
"Die Beobachter stellen ihre Patrouillen bis auf Weiteres ein", hieß es in einer Erklärung des norwegischen Generals Mood, der die Mission führt. Diese werde erst wieder aufgenommen, wenn es die Situation erlaube. Dies werde nun täglich überprüft.
Der UN-Sicherheitsrat hatte am 14. April die Entsendung von unbewaffneten Beobachtern nach Syrien beschlossen. Tags darauf traf das erste Vorausteam in Syrien ein, nach und nach wurde die UN Supervision Mission in Syria (UNMIS) auf 300 Beobachter aufgestockt. Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung einer Waffenruhe zwischen den Aufständischen und den Sicherheitskräften von Präsident Baschar al-Assad zu überwachen. Die Mission konnte das Blutvergießen jedoch nicht stoppen. Mehrfach wurden die Beobachter daran gehindert, Orte zu besuchen, teils wurden sie auch selbst beschossen.
Kein Wille zu "friedlichem Übergang"
Mood warf den Konfliktparteien vor, keinen Willen zu zeigen, "zu einem friedlichen Übergang zu kommen". Regierungstruppen und Aufständische wollten offenbar eine militärische Lösung erzwingen, erklärte er. Dadurch steige die Zahl der Opfer: "Unschuldige - Männer, Frauen und Kinder - werden jeden Tag getötet", erklärte Mood. "Das erhöht auch die Risiken, die von den Beobachter eingegangen werden."
Das Exil-Oppositionsbündnis Syrischer Nationalrat forderte daraufhin die Entsendung einer bewaffneten UN-Friedenstruppe. Die deutlich größere Truppe sei nötig, "um sich selbst vor der Gewalt des Regimes zu schützen", sagte der Vorsitzende des politischen Büros, Burhan Ghalioun, in Istanbul.
Bisher mehr als 14.000 Opfer
Syriens Präsident Baschar al-Assad lässt seit März 2011 die Protestbewegung in seinem Land blutig niederschlagen. Seitdem sind nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten insgesamt mehr als 14.400 Menschen getötet worden.
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Samstag von mindestens 26 Toten in verschiedenden Landesteilen. Sie richtete gleichzeitig einen Appell an die UNO, eine Evakuierungsaktion für über tausend Familien im zentralsyrischen Homs zu starten. Diese sind demnach in mehreren Vierteln eingeschlossen und stehen unter Dauerbeschuss. Der Syrische Nationalrat warnte vor einem drohenden "Massaker" in Homs.
Hilferuf via Facebook
Unter Beschuss stand laut den Assad-Gegnern auch die Stadt Duma. Auf der Facebook-Seite "Syrian Revolution 2011" veröffentlichten Aktivisten einen "Hilferuf" an die UN-Beobachter, die in der nur eine Viertelstunde entfernten Hauptstadt Damaskus "das Echo der Bombardierungen" hören müssten. "Krankenhäuser, Moscheen und Wohnhäuser werden durch die Bombardierungen nicht verschont, durch die in den vergangenen beiden Tagen mehr als 20 Menschen getötet und 500 verletzt wurden", hieß es.
Unterdessen desertierte ein weiterer General der syrischen Armee und flüchtete mit seiner Familie in die Türkei, wie die türkische Nachrichtenagentur Anandolu berichtete. Angaben zu seiner Identität wurden zunächst nicht bekannt. AFP
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