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Vorabdruck: Exklusiv - Hier schreibt heute der Papst für Sie

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Exklusiv - Hier schreibt heute der Papst für Sie

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    Papst Franziskus hofft auf die Jugend und ermuntert sie, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Dieses Bild entstand im Jahr 2017, als er in Myanmar eine Messe mit Jugendlichen feierte.
    Papst Franziskus hofft auf die Jugend und ermuntert sie, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Dieses Bild entstand im Jahr 2017, als er in Myanmar eine Messe mit Jugendlichen feierte. Foto: Osservatore Romano, imago

    Um einen Jugendlichen heutzutage zu verstehen, musst du ihn in Bewegung verstehen, du kannst nicht stillstehen und so tun, als seist du auf seiner Wellenlänge. Wenn wir uns wirklich mit einem jungen Menschen unterhalten wollen, müssen wir in Bewegung bleiben. Dann wird er es sein, der sein Tempo drosselt, um uns zuzuhören, er wird diese Entscheidung treffen. Und sobald er langsamer wird, beginnt eine Gegenbewegung: Während der Jugendliche seine Schritte anpasst, um gehört zu werden, beschleunigen die Alten auf der Suche nach dem gemeinsamen Treffpunkt die ihren. Beide Seiten werden sich anstrengen: Die Jungen werden sich bemühen, langsamer zu gehen und die Alten schneller. Das könnte den Fortschritt bedeuten.

    "In jedem jungen Menschen wohnt ein Prophet" - Papst Franziskus über die Jugend

    Papst Franziskus appelliert mit seinem Buch "Gott ist jung" an die Jugend.
    Papst Franziskus appelliert mit seinem Buch "Gott ist jung" an die Jugend. Foto: Osservatore Romano, imago

    Ich möchte gerne Aristoteles zitieren, der in seiner Rhetorik (II, 12,8) sagt: „Für die Jugend aber ist die Zukunft lang, die Vergangenheit dagegen kurz; denn am Morgen des Lebens glaubt man, sich an nichts zu erinnern, dagegen alles zu erhoffen. Aufgrund des Gesagten ist sie auch leicht zu täuschen; denn sie ist leicht zu Hoffnung geneigt. Auch sind sie (die Jugendlichen) besonders tapfer; denn sie sind hitzig und voll guter Hoffnung, wovon das eine sie furchtlos, das andere aber zuversichtlich macht; denn niemand fürchtet sich im Zorn, und das Hoffen auf irgendein Gut ist mutfördernd. Auch haben sie ein besonderes Gefühl für die Scham.“

    In jedem jungen Menschen wohnt ein Prophet, und er muss sich dessen bewusst werden. Er muss sich klar darüber werden, dass er die Schwingen eines Propheten hat, das Auftreten eines Propheten, dass er in der Lage ist, etwas zu prophezeien, etwas zu sagen, aber auch zu machen. Ein Prophet von heute besitzt nicht nur die Fähigkeit, ein vernichtendes Urteil zu sprechen, sondern auch die, Perspektiven aufzuzeigen. Die Jugendlichen vereinen diese beiden Eigenschaften in sich. Sie können sehr wohl ein harsches Urteil fällen, auch wenn sie es oftmals nicht deutlich zum Ausdruck bringen. Und sie sind in der Lage, einen kritischen Blick in die Zukunft zu werfen und über den Horizont hinauszuschauen. Aber die Erwachsenen sind oft grausam: Sie lassen all diese Kraft der Jugendlichen ins Leere laufen. Sie entwurzeln die Jungen vielmehr, reißen ihre Wurzeln heraus und anstatt sie dabei zu unterstützen, Propheten zum Wohl der Gesellschaft zu sein, machen sie sie zu Waisen und „Weggeworfenen“.

    Welche Bedeutung Wurzeln für die Menschen haben

    Die Jugendlichen von heute wachsen in einer entwurzelten Gesellschaft auf. Ich verstehe darunter eine Gesellschaft aus Menschen, aus Familien, deren gemeinsame Bindungen sich langsam, aber sicher auflösen: Dieses lebenswichtige Geflecht, durch das sich jeder von uns den andern zugehörig fühlt, als Mitglied eines gemeinschaftlichen Projekts – gemeinschaftlich im weitesten Sinne des Wortes. Wir alle lernen bereits als Kinder, wie wichtig Wurzeln allein physisch sind: Ohne Wurzeln wirst du früher oder später vom Wind davongeweht. Deshalb obliegt uns als Eltern, als Familie, als Seelsorger vor allem die Pflicht, den Boden zu bereiten, in dem wir Wurzeln schlagen, unsere Bindungen aufbauen und dieses lebenswichtige Netz knüpfen können, das es uns erlaubt, uns zu Hause zu fühlen. Der Mensch entfremdet sich auf schreckliche Weise von sich selbst, wenn er seine Wurzeln nicht mehr spürt, denn das bedeutet, sich niemandem mehr zugehörig zu fühlen. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich fremd im eigenen Haus zu fühlen, ohne ein Identitätsprinzip, das man mit anderen Menschen teilt.

    Papst Franziskus: Eckdaten seiner Biografie

    17. Dezember 1936 Jorge Mario Bergoglio wird in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geboren.

    1950 bis 1954 Ausbildung zum Chemietechniker

    1958 Eintritt in den Jesuitenorden, danach humanistische Studien in Chile

    1963 Rückkehr nach Argentinien, Abschluss des Philosophiestudiums

    1964 bis 1966 Professor für Literatur und Psychologie, erst in Santa Fe, dann in Buenos Aires

    1967 bis 1970 Studium der Theologie

    1969 Priesterweihe

    1973 bis 1979 Provinzial der Jesuiten in Argentinien

    1980 bis 1986 Rektor des Kollegs „San José“ und Tätigkeit als Pfarrer

    1986 Aufenthalt in Deutschland, um seine Dissertation fertigzustellen

    1992 Ernennung zum Weihbischof von Buenos Aires

    1997 Ernennung zum Koadjutor des Erzbischofs von Buenos Aires, Kardinal Quarracino

    1998 Erhebung zum Erzbischof von Buenos Aires nach dem Tod des Kardinals

    2001 Ernennung zum Kardinal durch Papst Johannes Paul II.

    2005 bis 2011 Präsident der argentinischen Bischofskonferenz

    13. März 2013 Wahl zum Papst, er wählt den Namen Franziskus

    Heute sieht es auf den ersten Blick so aus, als würden uns die sozialen Netze eben diese Verbindungsmöglichkeit mit den anderen bieten; das Internet gibt den Jugendlichen das Gefühl, Teil einer einzigen großen Gruppe zu sein. Doch das Problem des Internets ist die Virtualität: Das Netz lässt die Jugendlichen in der Luft hängen und macht sie daher extrem flatterhaft. Ich erinnere mich gerne an einen Vers des argentinischen Dichters Francisco Luis Bernárdez: „Por lo que el árbol tiene de florido, vive de lo que tienen sepultado.“ Wenn wir Bäume in voller Blütenpracht sehen, vergessen wir nie, dass wir uns dieses Anblicks nur der Wurzeln wegen erfreuen dürfen!

    Ich denke, ein effizienter Weg, uns zu retten, ist das Gespräch, der Dialog zwischen den Jungen und den Alten: ein Brückenschlag zwischen der jungen und alten Generation, vorübergehend auch ohne die Erwachsenen. Jung und Alt müssen – und zwar entschieden häufiger als bisher – miteinander reden, und zwar unbedingt! Dabei müssen die Alten ebenso die Initiative ergreifen wie die Jungen. In der Bibel gibt es einen Vers, der lautet: „Euere Alten werden Träume haben und euere jungen Männer Visionen“ (Joel 3,1).

    Doch diese Gesellschaft wirft die einen wie die anderen weg, die Jungen wie die Alten. Gleichwohl rettet es die Alten, wenn sie ihre Erinnerungen an die Jungen weitergeben, denn auf diese Weise werden sie zu echten Zukunftsträumern, während die Rettung der Jugendlichen darin besteht, diese Unterweisungen, diese Träume entgegenzunehmen und Teil ihrer Verheißung werden zu lassen.

    Alte Träumer und junge Propheten sind der Weg zur Rettung unserer entwurzelten Gesellschaft: Zwei Generationen „Weggeworfener“ können uns alle retten.

    Das Buch "Gott ist jung. Ein Gespräch mit Thomas Leoncini. Verlag Herder, 144 Seiten, 16 Euro." erscheint weltweit am Dienstag, 20. März, in zehn Sprachen. Den Hintergrund zu dieser Vor-Veröffentlichung lesen Sie hier.

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