Alarmismus als Politik-Ersatz? Weniger warnen, mehr machen!
Immer mehr Politiker begnügen sich damit, Probleme nur zu benennen, anstatt sie zu lösen. Das ist bequem und bringt Aufmerksamkeit, ist aber halt auch ein bisschen dürftig.
Nur, damit Sie nachher nicht sagen, man hätte Sie nicht gewarnt: In diesem Kommentar könnte es mehr um die Warnung vor Problemen gehen als um deren Lösung. Das mag auf den ersten Blick etwas unbefriedigend erscheinen, aber es spiegelt einen unseligen Trend in der deutschen Politik wider. Ständig warnt irgendwer irgendwo vor irgendetwas.
Vor Corona, vor einer Pleitewelle, vor dem Blackout, der Inflation und dem Börsencrash, vor dem heraufziehenden Wutwinter und natürlich – ein ewiger Klassiker – vor dem Untergang des Abendlandes. Dieser dauernde Alarmismus lässt die einen abstumpfen und macht anderen Angst. Vor allem aber trägt er rein gar nichts dazu bei, all die Herausforderungen, vor denen wir ja zweifellos stehen, zu bewältigen.
Warum neigen so viele Politiker zum Alarmismus?
Warum also neigen trotzdem so viele Politikerinnen und Politiker, aber auch Experten (echte und selbst ernannte) oder Medien zu dieser neuen German Aufgeregtheit? Die Antwort ist ebenso simpel wie ernüchternd: Weil das völlig risikolos ist und doch zuverlässig große Aufmerksamkeit erzeugt. Es gilt die Faustregel: Wer am Anfang warnt, ist am Ende auf der sicheren Seite. Denn kommt es zum Äußersten, hat man es ja immer kommen sehen.
Dem Gesundheitsminister wird jedenfalls keiner vorwerfen, er hätte nicht vor sämtlichen Restrisiken gewarnt, die Corona noch birgt. Und sollten im Winter tatsächlich mal die Lichter ausgehen, dann werden reihenweise Politiker von Union und FDP ihre Notstromaggregate anwerfen, nur um schnell per Twitter in die Welt hinauszuposaunen, dass sie es ja damals schon gewusst haben.
Bleibt die große Katastrophe allen Warnungen zum Trotz aus, ist das für den notorischen Mahner und Warner auch kein Schaden. Dann kann er immer noch für sich in Anspruch nehmen, dass es vor allem die eigenen frühzeitigen Warnungen gewesen seien, die Schlimmeres verhindert haben. Ziemlich bequem, diese Art von Politik, aber halt auch ein bisschen dürftig.
Dabei bräuchte unser Land in dieser unübersichtlichen Zeit so dringend Politiker, die etwas wagen, die etwas tun, weil sie es für richtig halten und nicht, weil sie sich möglichst wenig angreifbar machen oder die Konkurrenz schlecht dastehen lassen wollen.
Das gilt im Übrigen auch für die Opposition, die angesichts des indiskutablen Erscheinungsbildes am rechten und linken Rand im Bundestag faktisch derzeit nur aus CDU und CSU besteht. Deren Spitzenleute wären überzeugender, wenn sie sich nicht damit begnügen würden, der Koalition täglich Unfähigkeit oder Tatenlosigkeit zu attestieren. Oder beides. Weniger Warnungen und Schuldzuweisungen, mehr Ideen – das wäre ein guter Anfang. Und wirkt zudem auf die meisten Wähler attraktiver.
Nicht jede düstere Warnung verdient volle Aufmerksamkeit
Zur Wahrheit gehört übrigens auch: Wir Journalistinnen und Journalisten sollten öfter mal der Versuchung widerstehen, mit Alarmismus und Warneritis Schlagzeilen zu produzieren. Nicht jede halbseidene Warnung, nicht jede düstere Prophezeiung verdient volle Aufmerksamkeit.
Selbstverständlich dürfen politische und wirtschaftliche Missstände, Fehlentscheidungen und heraufziehende Gefahren nicht kleingeredet werden. Tatsächlich hat der russische Angriff auf die Ukraine ja viele vermeintliche Gewissheiten pulverisiert, auch in Deutschland. Wer die Sorgen der Menschen aber vor allem nutzt, um sich selbst zu profilieren, betreibt das Geschäft von populistischen Stimmungsmachern. Und davor kann man wirklich nur warnen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Die Politik benötigt aber den Alarmismus unbedingt! Ansonsten würden unsere Politiker aktuell ja nur schweigen, zumindest die Hauptakteure und Katastrophen Seher.
Zumindest einer bedient keinen Alarmismus. Der redet praktsich gar nicht. Das ist dann das andere Extrem. :D
Vielen Dank für diesen Kommentar Herr Stifter. Das spricht mir aus der Seele!
Hier gilt das alte Sprichwort: "Alle in einen Sack....)
Und warum wurden nur diese Zwei Parteien genannt, die restlichen sind dann die Empfehler, die erstgenannten wären dann die Grünen die alles richtig Posaunen, vor allem C. Roth.
Ich bin als kritische Leserin bekannt, aber diesem Kommentar kann ich voll und ganz zustimmen. Ich würde mir wünschen, dass unter den (demokratische) Parteien mehr zusammengearbeitet wird in dieser schwierigen Situation, aber gerade der Opposition kann man mit Fug und Recht vorwerfen, dass sie diese Situation zusätzlich ausnutzt, um sich parteipolitisch zu profilieren. Und das, obwohl gerade die frühere Regierung nicht ganz unschuldig ist an dem Dilemma.
Da kann ich nur heftig zustimmen. Das stößt mir auch schon lange auf. Jeder fordert nur oder warnt. Anstatt selber aktiv zu werden oder Ideen zu bringen, ist die Sache anscheinend mit der Warnung erledigt. Weder Regierung noch Wissenschaftler noch Berater noch Oppositon sollten damit durchkommen. Ein normaler Arbeitnehmer kann auch nicht morgens in die Arbeit gehen und nach einer Warnung wieder heimgehen.
Die derzeitige Politik über ständige neue Warnungen und Ermahnungen sowie Durchhalteappelle für die kommenden Monate in Verbindung mit nicht zu Ende gedachten Massnahmen zur Energieversorgung tragen zur Verunsicherung der Bürger und der Industrie bei. Warnungen und Nachrichten aus der Industrie und Handwerk zu Kosten und Mangel an Energie und bezahlbarem Material werden im Grunde ignoriert- nach dem Motto es wird schon nicht so schlimm kommen. Sozialhilfen, Kurzarbeit etc. können da nicht wirklich weiter helfen- die Masse der Bürger legt keinen Wert darauf über staatliche Alimentation ohne Eigenleistung beschwichtigt zu werden. Das Vertrauen schwindet damit zusehends in die neue Berliner Politik. Gleichzeitig treibt es in der Folge die Wähler entweder in die innere Kündigung im Verhältnis zum Staat oder zu Parteien am linken und rechten Rand.
"Das gilt im Übrigen auch für die Opposition, die angesichts des indiskutablen Erscheinungsbildes am rechten und linken Rand im Bundestag faktisch derzeit nur aus CDU und CSU besteht. Deren Spitzenleute wären überzeugender, wenn sie sich nicht damit begnügen würden, der Koalition täglich Unfähigkeit oder Tatenlosigkeit zu attestieren. Oder beides. Weniger Warnungen und Schuldzuweisungen, mehr Ideen – das wäre ein guter Anfang. Und wirkt zudem auf die meisten Wähler attraktiver."
Wie wahr!