Sven Väth: Sein Techno-Hunger ist noch nicht gestillt
Er gehörte zu den DJ-Pionieren. Jetzt, wo die Clubs wieder öffnen, ist er zurück: Sven Väth bringt nach 20 Jahren ein neues Album – und schaut zurück auf irre Zeiten.
Nein, er kann es auch mit 57 Jahren nicht lassen. Die treibende Kraft seiner Musik bestimmt nun einmal auch den Takt seines Lebens. Und das seit 40 Jahren. Einmal Techno, immer Techno: Für DJ Sven Väth ist seine Leidenschaft zur Lebensphilosophie geworden. Jetzt hat er dafür, erstmals nach bald 20 Jahren wieder, ein Zeugnis abseits der Unmittelbarkeit im Club hinterlassen. Ein neues Album, „Catharsis“ genannt. Und das tatsächlich, so erzählt er dazu, auch eine Art Reinigung war.
DJ Väth widmet das Album der Tanzfläche
Die Pandemie erteilte Väth eine Zwangspause – eine Zeit, die er nicht ungenutzt ließ. Er beschäftigte sich viel mit alten Alben und Erlebnissen und verarbeitete diese Zeitreise zum neuen Album. Der gebürtige Hesse, der seit einigen Jahren in London lebt, ließ sich dafür auch auf Reisen inspirieren, die ihn unter anderem nach Indien und Bhutan führten.
Das Album widmet er der Tanzfläche. Ist sie es doch, die er seit Ausbruch der Pandemie schmerzlich vermisst hat. Für ihn ist Musik der Klebstoff, der die Gesellschaft zusammenhält und die Tanzfläche ein Ort, an dem sich jeder treffen und jeder er selbst sein kann.
Anfänge in der Diskothek der Eltern in Hessen
Schon früh hat er es von der Tanzfläche ans DJ-Pult geschafft. Zunächst legte er nach seiner abgebrochenen Schlosserlehre in der Diskothek „Queens Pub“ in Neu-Isenburg auf, die seine Eltern betrieben. Schnell ging es auf den großen Dancefloor. Anfang der 80er Jahre begann er im „Dorian Gray“ in Frankfurt aufzulegen, später eröffnete er den Club „Omen“. Mit dem Einzug der Techno-Welle Anfang der 90er wurde das „Omen“, sein Wohnzimmer, zum Kult-Club und Sven Väth zu einem der bekanntesten Techno-DJs Deutschlands und adelte jede große Techno-Party mit seinem Auftritt. 1999 legte er vor über einer Million Fans auf der Berliner Love-Parade auf.
Wenn er in seiner Corona-Pause die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren ließ, gibt es viele Episoden in seinem Leben, an die er sich erinnert haben wird: die Tourneen um die ganze Welt, Partyreihen, Ibiza, sein Plattenlabel … Er packte vieles an, nicht alles funktionierte. Der Cocoon Club, den Väth in Frankfurt miteröffnete, wo er als Gesellschafter agierte, der Versuch, neue Standards zu setzen, in dem Techno, Design und Spitzenküche miteinander verbunden werden – führte in die Insolvenz.
Sven Väth: Vor Corona 120 Auftritte pro Jahr
Auch wenn der Vater von zwei Kindern während der Pandemie sein Leben reflektiert hat, beschreibt er sich selber nicht als Nostalgiker. Er schaue nach vorne. 120 Mal habe er vor Corona pro Jahr aufgelegt. Er freue sich auf den Moment, wenn das wieder zur Normalität gehöre. Die Befürchtung, dass Corona die Menschen verändert hätte und womöglich durchtanzte Nächte in engen Clubs nicht mehr dazugehören könnten, teilt er nicht. Im Gegenteil. Die Menschen wären hungrig darauf, wieder feiern gehen zu können. Hungrig ist er auch. Er möchte noch lange weitermachen. Das hört man seinem Album an. Es blickt zurück, klingt aber unverändert aktuell.
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