„Und dann kam plötzlich dieses Kribbeln im Bauch“
Ruth und Theo Pape sagen nochmals Ja. Ältere Brautpaare sind heutzutage keine Ausnahmen mehr und die Quote steigt
Wie lange Ruth und Theo Pape schon verheiratet sind, können die beiden immer auf die Minute genau sagen: Am 3. September, 13.22 Uhr waren es 52 Wochen, drei Tagen, zwei Stunden und 22 Minuten. Sie ist 49, er ist 67 Jahre alt. „So gut wie jetzt ist es mir noch nie gegangen“, sagt Ruth Pape. „Ich wusste gar nicht, dass Liebe so intensiv, so total tief sein kann.“ Mit Theo habe sie jetzt schon „mehr erlebt, als die letzten 30 Jahre“. „Die gemeinsame Zeit ist zu kostbar, wir wollen einfach jeden Tag genießen und brauchen uns nichts mehr vorzumachen“, ergänzt ihr Mann.
Für beide ist es die zweite Ehe. Theo Pape hat bereits mit 19 Jahren geheiratet, drei Kinder sind aus der Ehe hervorgegangen. Sein Beruf als Hundeführer bei der Bundeswehr führte die Familie vor 40 Jahren aufs Lechfeld. Vor zwei Jahren ist die Ehefrau nach langer Krankheit gestorben, „nur wenige Tage vor unserem 45. Ehejubiläum“, erzählt Pape. Sie war nach mehreren Schlaganfällen halbseitig gelähmt und auf Hilfe angewiesen. Er habe sie zwei Jahre lang alleine zu Hause gepflegt. Als sie ins Krankenhaus musste, besuchte er sie jeden Tag, hat ihr vorgelesen und Musik vorgespielt.
In die Berge gefahren, um einen klaren Kopf zu bekommen
Auch Ruth Pape hat früh geheiratet. Sie hat stets in Vollzeit gearbeitet, sich um den Haushalt, die zwei Kinder und alles andere gekümmert. „Die Ehe war nicht immer glücklich“, erzählt sie. Irgendwann – nach 27 Jahren – ging es aber nicht mehr weiter, sie musste „einfach raus“. Sie wollte in die Berge fahren, um Abstand zu gewinnen und wieder einen klaren Kopf zu haben. Bei Theo Pape hat sie angerufen und gefragt, ob sie unterwegs bei ihm übernachten könnte. Sie kannten sich seit vielen Jahren, denn Ruths Mann war sein Bundeswehrkollege. „Es war eine ganz normale Freundschaft, wir haben uns öfters besucht, mehr war da aber auch nicht“, sagt sie. Die ersten drei Tage blieb Ruth vorwiegend oben im Gästezimmer. „Und dann kam plötzlich dieses Kribbeln im Bauch“, erinnert sie sich und strahlt. „Ich war dann mehr unten als da oben.“ Theo hat gekocht – das ist übrigens seine Leidenschaft – die beiden kamen sich näher. „Wir schwebten ganz schnell im zehnten Himmel“, beschreibt sie die Zeit im Theos Haus. „Wir merkten, dass wir uns auch ohne Worte verstehen, dass unsere Gedanken die gleichen sind.“ Einige Monate später machte das Paar einen kurzen Urlaub auf Kreta – Theos Lieblingsurlaubsziel. Beim Abendessen im vollgefüllten Hotelsaal ist er auf die Bühne getreten und hat Ruth gefragt, ob sie seine Frau werden möchte. „Natürlich habe ich Ja gesagt.“
Als die Post Ruths Scheidungspapiere zugestellt hatte, fuhren die beiden erst nach Untermeitingen zum Einkaufen. „Wo biegst du denn hin, das ist der falsche Weg“, sagte noch Ruth zu ihrem Theo, als er die Schnellstraße nach Schwabmünchen ansteuerte. „Wir machen nur kurz am Standesamt einen Termin für unsere Hochzeit fest“, meinte er trocken. Eine Woche später waren sie Mann und Frau. „Ein Macho ist er nicht, aber er hat immer die verrücktesten Ideen“, lächelt sie. „Neulich hat er mich auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Wir sind dann in der Innsbrucker Innenstadt gelandet.“ Warum sie im Alter nochmals Ja sagten? „Ich mag klare Linien“, betont Theo Pape. Die Liebe habe natürlich die größte Rolle gespielt, aber auch die rechtliche Seite. „Meine verstorbene Frau lebt in meinem Herzen weiter, jetzt ist aber Ruth da und wir wollen, dass alles geregelt und abgesichert ist, auch etwa im Pflegefall.“ Denn sollte Theo im Krankenhaus liegen, könnte Ruth ohne Eheschein als Nichtangehörige beispielsweise nur schwer Entscheidungen für ihn treffen, wenn er dazu nicht mehr in der Lage wäre.
„Ich bin sicher, dass meine verstorbene Frau mit der Liebe zu Ruth einverstanden ist“, fügt er hinzu. Wenn die beiden sie auf dem Friedhof besuchen, sitzt immer ein Vogel am Grabstein und zwitschert ihnen zu. Dass sich Ruths und Theos Kinder nicht mit ihrer Heirat abfinden können, bedauern die Eheleute bedauernd. „Es ist aber unser Leben“, sagen die beiden einstimmig. „Und ich habe Ruth versprochen, dass sie nie mehr traurig sein muss.“
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