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Beste Reportagen 2022
06.07.2022

"Der schöne René" lebt heute mit Demenz

René Weller 1982: Sport und Show gehörten für ihn immer zusammen.
Foto: Jörg Schmitt, dpa (Archivfoto)

Boxer René Weller hat Demenz. In seiner Wohnung erinnert nur noch wenig an den „Macho Man“ aus Pforzheim. Seine Frau sagt: „Früher hatte ich auch ein eigenes Leben.“

Begegnung mit einer Legende. „Grüß Gott, Herr Weller. Wie geht’s Ihnen?“ Der 68-jährige einst so glamouröse Boxer nimmt die ausgestreckte Hand, schüttelt sie kurz, sagt mit einem warmen Blick in den Augen: „Mir geht es immer gut.“ Eine von ihm oft gebrauchte Floskel. Längst ist sie aber so hohl wie falsch.

Wie seit knapp einem Jahr öffentlich ist, leidet René Weller an rasch fortschreitender Demenz. Eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung. Ausgerechnet der in den 1980er und 1990er Jahren vom Boulevard so gefeierte „schöne René“, Recke in vielen Ringschlachten, Frauenheld und Vorbild aller Burschen, die unter dem Begriff Mann eher Macho als Softie verstanden.

Boxlegende Weller sieht man die Spuren des harten Trainings noch an

Und jetzt liegt er schlaff auf dem Sofa in einer Mietwohnung am Rand seiner zwischen Stuttgart und Karlsruhe gelegenen Heimatstadt Pforzheim. Mehrere Zimmer, aber gerade mal 106 Quadratmeter groß. Der Fernseher läuft, Weller dämmert vor sich hin.

Dass er seinen Körper mal regelmäßig austrainiert hat, zeichnet sich noch unter dunklem T-Shirt und Jeans ab. Eine Erinnerung daran, wer Weller war. Wie viel er selber noch davon weiß, bleibt unklar. Ebenso offen ist, ob die Begrüßung mehr als ein Reflex war. „Ich weiß es nicht“, sagt seine Frau Maria. „Manchmal erkennt René selbst mich nicht mehr.“

Für Angehörige von Dementen ist die Situation häufig schwierig

Erst 2013 hat sie ihn geheiratet, nachdem die beiden schon rund zehn Jahre liiert gewesen waren – zum zweiten Mal nach einen kurzen Intermezzo 1978. Dass die Zweisamkeit so ausgeht, hat für Maria Weller dramatische Züge angenommen – wie für die meisten Angehörigen, die erleben müssen, wie jemand Geliebtes langsam entschwindet.

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Wenn die umtriebige zierliche Frau mit der Geschichte ihres Mannes an die Öffentlichkeit geht, soll dies auch eine Art Hilfestellung für jene sein, die ein ähnliches Schicksal haben. Zudem habe „René während besserer Tage noch gesagt, wenn es richtig ernst wird, hätten die Fans ein Recht darauf, seinen weiteren Lebensweg zu begleiten“.

Der ehemalige Boxprofi René Weller beim Training mit Nachwuchsboxern in Donauwörth.
Foto: Stephanie Utz (Archivbild)

Dass es noch jede Menge Interessierte gibt, kann als gegeben betrachtet werden – schon weil bunte Blätter, Bild-Zeitung und Boulevard-TV nie aufgehört haben, Weller zu vereinnahmen. Lediglich Nachgeborenen mag sein Name womöglich wenig sagen. Zuletzt ist der praktisch nur noch dort aufgetaucht, wo sich ansonsten C-Promis treffen.

So war etwa 2005 die TV-Sendung Big Brother dran. Nach der immer wieder kolportieren Erzählung flog Weller raus, als er volltrunken den Mitbewohnern des von Kameras überwachten Show-Dorfes seinen entblößten Hintern zeigte. Als weiteres Beispiel solcher Auftritte kann die Teilnahme der Wellers 2016 bei der RTL-Reality-Show „Das Sommerhaus – Kampf der Promi-Paare“ gelten. Auch bei „Frauentausch“ tauchte er auf. Sportvereine buchten ihn für Showkämpfe.

Weller war ein Star in leichten Gewichtsklassen

Wessen Erinnerung aber in die beste Zeit Wellers zurückreicht, hat ein anderes Bild im Kopf als jenes von einem abgehalftert wirkenden Boxer. Sport verbindet sich bei ihm mit Glamour. Wobei die Grundlage seines Aufstiegs der Erfolg im Ring war, im Fall des damals rund 60 Kilogramm schweren Boxers in leichteren Gewichtsklassen. Er kam auf 355 Amateurkämpfe mit 338 Siegen, wurde neunmal deutscher Meister und einmal Vize-Europameister.

Vom Kampfstil her hatte der gelernte Heizungsmonteur und Goldschmied ein überzeugendes Vorbild: Muhammad Ali, den großmäuligen dreimaligen Schwergewichtsweltmeister mit seinen sportlichen Höhepunkten in den 1970er Jahren. Wie der absolute Champ aller Klassen konnte auch Weller im Ring schnell sein, locker tänzeln und „stechen wie eine Biene“, sagen jene, die ihn kämpfen sahen. Es lag fast schon nahe, dass in seiner Heimat an der Enz Lokalpatrioten fröhlich kolportierten, Weller sei Pforzheims Antwort auf Muhammad Ali.

1981 folgte sein Wechsel ins Profilager zum Team des damals führenden Boxpromoters Wilfried Sauerland. Innerhalb der nächsten zwölf Jahre trat Weller 55 Mal an. Die Bilanz: 52 Siege, davon 24 Mal durch K. o., zwei Unentschieden, eine Niederlage. 1983 errang er den Weltmeistertitel im Superfedergewicht – wenn auch nur im unbedeutenden Boxverband WWA. Zweimal reichte es zum Europameister und einmal noch zum deutschen Meister bei den Profis.

Ehefrau der Box-Legende: "René ist inzwischen ein voller Pflegefall"

Im gemütlich eingerichteten Pforzheimer Wohnzimmer künden etliche Urkunden und polierte Pokale vom Ruhm im Ring – nicht weit weg vom Sofa, auf dem Weller wieder eingenickt ist oder sich in eine unbekannte Leere entfernt hat. Seine Frau führt in die mit viel Marmor-Elementen ausgeschmückte Küche, erzählt dort, nur manchmal komme bei ihm das Boxen zurück, etwa nachts im Bett, wenn er unter der Decke Haken schlage. „René ist inzwischen ein voller Pflegefall“, sagt Maria Weller. „Ich füttere ihn, kämme ihn, dusche ihn, helfe ihm bei Anziehen.“

Unterstützung gibt es für wenige Stunden in der Woche bloß durch eine Haushaltshilfe. „Zur Not“, fährt sie fort, „springt aber noch eine Freundin ein und passt auf, wenn ich mal außer Haus bin. Ich möchte ihn aber nicht in ein Pflegeheim geben.“

In der Beziehung hat der Box-Star seine Frau stets überschattet

Ihr Mann ist ihr Leben. Wobei eines von Anfang an klar war: Weller hat sie immer komplett überschattet. Alles drehte sich um ihn. „Dabei hatte ich früher auch ein eigenes Leben“, sagt sie. Das stimmt, etwa als Journalistin für eine Luxus-Zeitschrift, auch wenn heutzutage meist nur ihre Schönheitsoperationen thematisiert werden. Das ist der Preis dieser Partnerschaft.

Auch Weller muss bezahlen. Bei ihm dürfte die Demenz der Preis des sportlichen Erfolgs sein. 2014 bekam Weller die Diagnose. Gerade 60 Jahre alt war er. Bei einer Routineuntersuchung in Bayreuth durch seinen Freund, den Ringarzt Professor Walter Wagner, keimte bei diesem der Verdacht, im Kopf stimme etwas nicht. Weller, so erzählte er später, „konnte sich damals an jedes Detail der Kämpfe von vor 30 Jahren erinnern, aber das Kurzzeitgedächtnis hatte schon starke Aussetzer“.

Wellers Demenz womöglich durch harte Schläge auf den Kopf ausgelöst

Untersuchungen bestätigten die beginnende Demenz, womöglich ausgelöst durch Mikroblutungen im Gehirn, wie sie bei harten Schlägen vorkommen können. Wagner ging zwar von einer erblichen Veranlagung aus, meinte jedoch: „Es ist sicher nicht auszuschließen, dass die vielen Wirkungstreffer die Entwicklung bei Weller beschleunigt haben.“ Eine solche Krankheit so früh sei „sehr ungewöhnlich“.

Wellers Frau Maria berichtet, ihr Mann habe die Diagnose damals registriert – „und sie erst einmal weggeschoben. Mit Problemen hat er sich auch früher nicht belastet“. Dies glaubt man sofort. Tiefgründige Grübeleien würden seinem früheren Image als „Golden Boy“ des Boxsports widersprechen.

Für Weller spielte auch die Show eine Rolle

Erfolgreich zuschlagen war eben immer nur eine Seite der Medaille. Die wirkliche gesellschaftliche Durchschlagskraft erreichte Weller mit der Erkenntnis: Nur die Show macht wirklich groß. In einem früheren Interview erklärte er hierzu: „Ich musste auffallen, um populär zu werden. Wer interessierte sich in Deutschland schon für einen ganz normalen Leichtgewichtsboxer?“

Auch in diesem Bereich konnte er sich sein Idol Muhammad Ali als Vorbild nehmen, einem begnadeten Sprücheklopfer. Einmal hatte ihn Weller sogar leibhaftig getroffen: 1979 bei einer gemeinsamen Werbetour eines Getränkeproduzenten. Und wenn sich der Champ und Jahrhundertsportler als den „Größten“ feierte, so sah sich Weller zumindest als den „Schönsten“.

Einer seiner besten überlieferten Sprüche lautet: „Ich bin der einzige Deutsche, der nackt besser aussieht als angezogen.“ Folgerichtig posierte er immer wieder leichtest bekleidet, solariumgebräunt, dazu mit lockiger Föhnfrisur, Oberlippenbart und Goldkettchen. Oft gehörte noch Damenbegleitung dazu. Weller gab frech grinsend ebenso gerne das Aushängeschild für wilde Partys. Seine Lebenseinstellung wurde sogar auf Zelluloid gebannt: 1985 spielt er den „Macho Man“ im gleichnamigen Trashfilm, gefolgt von einem noch schlechteren zweiten Teil 2017.

Früher pflegte Boxer René Weller Kontakt ins Rotlicht-Milieu und zu den Hells Angels

Da ging es noch einigermaßen mit der Demenz. Jetzt muss seine Frau die Wohnungstür abschließen. „Sonst verschwindet er und irrt irgendwo umher.“ Laut der jüngsten Untersuchung im Winter sei nur noch eine Gehirnhälfte aktiv. „Die andere ist voll Wasseransammlungen“, meint seine Frau. Die Krankheit habe sich zuletzt fast überstürzt entwickelt. „Bis vor gut zwei Jahren war es noch möglich gewesen, mit ihm auszugehen“, erzählt sie. „Dann kamen die Corona-Lockdowns. Er hat stark darunter gelitten, dass er keine Menschen mehr treffen konnte. Ab der Pandemie wurde er auf einmal stumm und hat nichts mehr erzählt.“

Vergangenen August starb die von beiden geliebte Hündin Bella an Krebs, ein Drama für Maria Weller. „Der Zustand von René und dann der Tod von Bella. Ich war auf dem Tiefpunkt.“ In Wellers Kopf drang das Ereignis laut ihrer Erzählung gar nicht mehr ein. Alles war nur noch Krankheit und Tristesse. Welch ein Kontrast zu früher. „René“, betont seine Frau, „hatte immer auf der Überholspur gelebt.“

Wenig erstaunlich, dass zu seinem Leben auch Halbwelt-Kontakte gehörten. Sie sorgten für den publikumswirksamen Anschein von Verruchtheit. Zum besseren Bekanntenkreis zählt Bordell-König Marcus Prinz von Anhalt, früher als Marcus Eberhardt bekannt, sinnigerweise ein gelernter Metzgergeselle aus Pforzheim. Ebenso sind Kontakte zu Frank Hanebuth verbürgt, einem bundesweit bekannten Rockeranführer von den Hells Angels und einstigen Rotlicht-Beherrscher aus Hannover.

Drogenhandel, Hehlerei, Waffenbesitz: Weller war vier Jahre im Knast

Die Leichtlebigkeit hat schließlich auch harte Folgen: Knast. 1999 wurde Weller wegen Drogenhandels, Hehlerei, unerlaubten Waffenbesitzes und Anstiftung zur Urkundenfälschung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er selber meinte, man habe ihn reingelegt. Vier Jahre saß er ab, fing an zu dichten, malte. Dann öffneten sich für ihn dank guter Führung die Gefängnistore wieder.

Was dann kam, war aber letztlich nur ein Nachklapp auf die gute Zeit. Steuerschulden ruinierten die Finanzen. Das einstige Landhaus auf Gran Canaria? Längst verkauft. Der Kontakt zu seinen beiden Kindern, die er mit einer früheren Partnerin hat, zerbrach. Es blieben die C-Promi-Auftritte bis hin zum Kirmesboxen. Zuletzt gab es ein Angebot, sich von ihm übers Internet Geburtstagsgrüße zusenden zu lassen – für 80 Euro.

Man könnte durchaus auch sagen, Wellers Leben verrinnt schon länger. Die Demenz ist nur der Beschleuniger. Wie lange dauert es aber noch bis zum finalen Niederschlag? Das fragt sich auch seine Frau. „Ich fürchte den Moment, wenn es so weit ist, wenn der endgültige Abschied da ist. Wir hatten ein schönes Leben“, sagt sie und gibt sich gefasst. Ihr Mann dämmert indes immer noch auf dem Wohnzimmersofa vor sich hin.

Ein letzter Blick auf den einstigen Heroen. Es wird Zeit zu gehen. Seine Frau stupst ihn an. Nochmals Händeschütteln mit ihm. Er blickt hoch, aus seinem Mund kommen die Worte: „Ihnen alles Gute.“

Dann ist Weller wieder weg.

Zum Jahreswechsel haben wir für Sie die besten Reportagen des Jahres zusammengestellt. Dieser Text erschien erstmals am 6. Juli 2022.

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