"Zum Kotzen": Deutscher Goldfavorit Vetter rutscht an Medaille vorbei
Speerwurf-Ass Johannes Vetter war auf Olympia-Gold fixiert wie kein anderer deutscher Leichtathlet. Warum er am Ende nur Neunter wurde in Tokio.
Für Speerwurf-Goldfavorit Johannes Vetter war es eine ärgerliche Rutschpartie ins olympische Nichts. "Es ist zum Kotzen", wetterte der 28 Jahre alte Ex-Weltmeister aus Offenburg. Im Finale am Samstag in Tokio war nach drei Versuchen und nur einem gültigen über für ihn miese 82,52 Meter Endstation. Schließlich war er als Wurf-Dominator nach 19 Siegen in Serie und als einziger 90-Meter-Werfer des Jahres nach Japan gereist - und rutschte auf der Anlaufbahn fürchterlich und um die Gesundheit fürchtend aus.
"Anlage kann man in die Tonne kloppen", schimpft Vetter
"Der Belag ist gut für Weltrekorde und olympische Rekorde auf der Bahn", sagte Vetter und wetterte: "Für Speerwerfer wie mich, ist das einfach tödlich." Um 90 Meter zu werfen, brauche er Halt, um über ein starkes Stemmbein die Kraft in die Schulter zu bekommen, um den Speer mit Wucht heraus zu katapultieren. "Die Anlage kann man nach dem Wettkampf in die Tonne kloppen", schimpfte er. "Es ist gefährlich gewesen."
Dass der zuvor mit Eissäcken heruntergekühlte Untergrund nicht viel taugte, zeigen die Weiten für die Medaillengewinner. Der Inder Neeraj Chopra holte mit 87,58 Meter Gold und die Tschechen Jakub Vadlejch und Vitezslav Vesely mit 86,67 und 85,44 Meter Bronze und Silber.
Der Mainzer Julian Weber wurde mit 85,30 Meter Vierter. "Vorher hätte ich niemals gedacht, hier um die Medaillen zu kämpfen", meinte der 26-Jährige im ZDF. "Der vierte Platz ist komplett verrückt." Mitleid zeigte er mit Vetter: "Das ist bitter. Jojo hat so eine unheimliche Power, da kann die Bahn nicht standhalten."
Schon in der Qualifikation haderte Vetter mit dem Boden und zog nur mit Ach und Krach und 85,44 Meter ins Finale ein. Zum Vergleich seine Bestmarke in diesem Jahr: 96,29 Meter. Kein anderer deutscher Leichtathlet ist deshalb so siegesgewiss ("Ich will Gold") nach Tokio gekommen. Dass seine Disziplin-Kollegin Christin Hussong mit dem zweitbesten Wurf des Jahres (66,19 Meter) einen Tag zuvor auch scheiterte, war alles andere als eine Ermunterung für Vetter.
Dennoch zeigte er nach der schwachen Qualifikation demonstrativ Stärke. Neben dem Foto von seinem großflächigem Tattoo auf dem Rücken mit Adler, antikem Speerwerfer und den Olympischen Ringen postete Vetter auf Instagram: "Dieses eine Ziel geht unter die Haut, ich werde am Samstag alles geben, was ich habe!"
Vetter sieht Bahn als gefährlich an
Stattdessen ist dem Ausnahmeathleten sämtliche Flugkraft abhanden gekommen. "Es tut mir echt leid für alle, die mir daheim die Daumen gedrückt haben", sagte Vetter und betonte: "Ich kann mir nichts vorwerfen. Es ist bitter, enttäuschend, aber auch unglücklich gewesen." Und nicht nur das: Es sei bei den Würfen auch gefährlich gewesen. "Unbewusst kann man sagen, dass man auf die Bremse tritt." Beim zweiten Versuch knickte er sogar mit dem linken Fuß um. "Das tut mir sogar beim Hinschauen noch weh."
Thomas Röhler, der Olympiasieger von 2016, fand die Kritik von Vetter überzogen. "Es allein auf die Bedingungen zu schieben, finde ich nicht ganz korrekt", sagte Jenaer, der wegen einer Verletzung auf den Start in Tokio verzichten musste. "Aber Fakt ist: Die Bahn kam seinem Wurfstil nicht entgegen." Johannes könne "Monsterwürfe, aber leider hat Olympia seine eigenen Gesetze".
Nach der Rückkehr in die Heimat will Vetter noch sechs Wettkämpfe bestreiten. "Für das Gefühl möchte ich noch mal einen ordentlich Wurf machen", sagte der gebürtige Dresdner und schaute schon auf Paris 2024: "Gott sein Dank muss ich nur drei Jahre auf die nächsten Olympischen Spiele warten."
Die Diskussion ist geschlossen.
Bei der Olympiade entscheiden der Geist und die Götter über Sieg oder Niederlage. Schwache Nerven sind Werkzeuge des Teufels und Ursache von Niederlagen.
Man lernt aber aus Fehlern und Niederlagen und kann sich verbessern.
Das kann passieren wenn man schon als Olympiasieger die Arena betritt, einerseits in der eigenen, andererseits in der medialen Einschätzung. Vorschußlorbeeren waren schon oft ein zweischneidiges Schwert.
Das kann vor allem passieren, wenn der Belag, der vom Hersteller Mondo für die Läufer so verändert worden ist, dass reihenweise sensationelle Zeiten gelaufen werden konnten, für die Wurftechnik mit der man seit 19 Wettbewerben ungeschlagen war, nicht tauglich ist. Nein, dass andere Werfer damit zurecht kamen, ist kein Argument, denn diese hebeln den Wurf nicht über ein ausgestrecktes Standbein, bei dem etwa eine Tonne Gewicht auf den Fuß wirkt. Was da passiert, wenn der weiche Boden nachgibt, kann man sich vorstellen und hat es auch gesehen.
Die Frage ist lediglich, warum der Belag auch im Bereich der Werfer verändert werden musste und ob die Athleten vorher davon informiert wurden oder tatsächlich erst im Wettkampf damit konfrontiert wurden.
Im Nachhinein könnte man sich auch gut vorstellen, dass die Verletzung von Niklas Kaul auf die Rechnung des Belags geht. Auch da gilt, dass ein Wackler (auf zu weichen Untergrund) natürlich geeignet ist, das Absprunggelenk zu stauchen.
Das mit dem Belag ist wohl eine billige Ausrede. Ein Athlet wie Vetter, der er zweifelsohne ist, hätte nur auf den Plan B ausweichen müssen - dann wäre er sicherlich weiter gekommen.
Wenn man sich ein bisschen mit den Fakten beschäftigen wollte, würde es einem einleuchten, dass es eben nicht nur eine Ausrede ist. Man könnte auch überlegen, warum ein Mann wie Vetter, der seit eineinhalb Jahren ungeschlagen ist und in diesem Jahr schon mehrere Würfe über 90 Meter hatte, auf einmal wie ein Dilettant aussieht. Plan B? Dafür hätte er seine Technik umstellen müssen. Das ist in den zur Verfügung stehenden Versuchen schlicht unmöglich.
Nein - hätte er nicht. In vielen Sportarten gibt es den sog. Sicherheitsaufschlag, Sicherheitsabschlag, Sicherheitswurf, Sicherheitssprung ... . Das wäre Plan B gewesen.
Und Sie meinen, mit einem 'Sicherheitswurf' hätte er einen Blumentopf gewinnen können? Die Vergleiche, die Sie ziehen sind hanebüchen.
(edit/mod/bitte sachlich bleiben/NUB 7.3)