Hannover 96: Frühwarnsystem hat versagt
Hannover 96 rutschte lange Zeit nahezu unbemerkt dem Abstieg entgegen. Vor dem Spiel gegen Augsburg dämmert es aber nun, wie wichtig ein Sieg wäre.
Vor ein paar Tagen gab es im Fanshop des Fußball-Bundesligisten Hannover 96 eine kuriose Aktion, die merkwürdig anmutet angesichts der Abstiegsangst, die viele Menschen in der Stadt vor dem heutigen Spiel beim FC Augsburg (15.30 Uhr) gepackt hat. Anhänger konnten im Fanshop den Heinz-von-Heiden-Traumhausschuss üben. Den bitte was?
Heinz von Heiden ist der Trikotsponsor der „Roten“ und hatte, als man sich noch keine ernsthaften Sorgen um 96 machen musste, eine Idee, die angesichts der Abstiegsgefahr nun ein bisschen skurril erscheint: Am letzten Spieltag im Heimspiel gegen den SC Freiburg bekommt ein 96-Anhänger in der Halbzeit die Chance, sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen. Dafür muss er den Ball aus elf Metern Entfernung in einem Betonmischer versenken. „Scheiß auf das Traumhaus“, kommentiert ein 96-Fan die Aktion, „ich will den Klassenerhalt.“
Letzter Sieg gegen Augsburg
Es ist für einen Verein in Not ein gutes Zeichen, wenn die Menschen in der Region denken wie der Mann, dem erstklassiger Fußball wichtiger ist als ein erstklassiges Haus. Es gab in dieser Saison unzählige Gründe, sich über Spieler, Trainer, Mannschaft, Klubchef, Sportdirektor und manchmal auch über alle zusammen zu ärgern. 96 hat sich mit dem Absturz auf den drittletzten Platz in eine Situation manövriert, die niemals hätte passieren dürfen und die mit einem sensibler ausgeprägten Frühwarnsystem bei Personalentscheidungen zu verhindern gewesen wäre.
16 sieglose Spiele sind es mittlerweile in Folge, den letzten „Dreier“ holte Hannover 96 am 16. Dezember vergangenen Jahres – gegen den FC Augsburg (2:0). Auch nach dem Trainerwechsel von Tayfun Korkut zu Michael Frontzeck sind drei weitere Begegnungen ohne Sieg dazugekommen. Spätestens nach acht, neun Spielen hätte jedem in Hannover klar sein müssen, was sich da für ein Gewitter über der HDI-Arena zusammenbraut. Aber in Hannover haben ganz viele Menschen geglaubt, dass der Abstieg ein Thema ist, das die anderen betriff. Den HSV, Paderborn, Freiburg oder Stuttgart. Aber die „Roten“? Ja, sie spielen eine schlechte Saison, haben eine merkwürdige Mannschaft, aber absteigen? Nein, das wird schon reichen. So haben fast alle gedacht.
Als 96 in der vergangenen Woche trotz einer starken ersten Halbzeit auch gegen Werder Bremen (1:1) nicht gewann, waren sich die meisten Zuschauer einig: „Das war’s.“ So schnell geht das in Hannover. Tatsächlich kletterte die Mannschaft von Platz 17 auf 16, in Augsburg soll es für 96 nun darum gehen, „eine gute Ausgangsposition für das Freiburg-Spiel zu schaffen“, wie Trainer Frontzeck sagt, dessen Vertrag nur bis zum Saisonende gilt. Mehr als die Zusicherung, „der erste Ansprechpartner“ (Klubchef Martin Kind) für die neue Saison zu sein, egal ob in der 1. oder 2. Liga, hat Frontzeck nicht.
Dabei war in der ersten Halbzeit gegen Bremen zu erkennen, was Frontzeck in Kürze erreicht hat. Er hat die Mannschaft befreit von dem betulichen Kontrollfußball Korkuts. Auf einmal gibt es nur noch wenige Rückpässe auf Torwart Ron-Robert Zieler, und Marcelo und Christian Schulz verzichten darauf, die deutsche Meisterschaft in der Rubrik „Querpass ohne Raumgewinn“ anzustreben.
Hannover vergibt weiter zu viele Chancen
Doch andere Probleme sind geblieben. Wie unter Korkut vergeben die 96-Profis weiter zu viele Chancen. Nach wie vor wiederholen sich zudem Mechanismen, die sich mehr als ein Jahr eingeprägt haben. Nach der Pause, als die Bremer nach einigen Umstellungen zaghaft begannen, mitzuspielen, reagierten die 96-Profis ängstlich.
Augsburg wird heute auf einen Gegner treffen, der es in dieser Saison fast nie geschafft hat, über 90 Minuten konstant zu spielen – und auf eine Mannschaft, die schnell zu verunsichern ist.
Ungebrochen ist der Glaube von Frontzeck und Klubchef Kind, dass 96 nicht absteigen wird. Mit Frontzeck ist, anders als unter dem drögen Korkut, der Humor nach Hannover zurückgekehrt. Angesprochen auf die Sieglos-Serie von 16 Spielen antwortete der 96-Trainer: „Man könnte es auch so sehen, dass wir seit zwei Spielen ungeschlagen sind.“ Zumindest diese Serie soll in Augsburg fortgesetzt werden.
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