Blümchen-Pflücker und verknotete Schnürsenkel: welche Taktik zu einer F-Jugend passt
Kinder kicken selten nach den Vorstellungen eines Trainers. Warum die Unterschiede zwischen Fußballanfängern und Profis mitunter doch nicht so groß sind.
Dass sich der Fußball rund um den Globus überbordender Beliebtheit erfreut, liegt zu weiten Teilen an der Einfachheit des Spiels. Grundregeln beherrscht jeder. In seiner minimalistischsten Form braucht es nicht einmal einen Ball. Irgendetwas aus Blech, Holz oder Stein, das rollen kann, und zwei Begrenzungen, die eine Linie markieren – schon mutiert man zu Messi oder Ronaldo. Franz Beckenbauer führte mit einer Reduktion von Traineranweisungen die deutsche Nationalmannschaft gar zu einem WM-Titel. „Geht’s raus und spielt’s Fußball.“ Genial einfach.
Den modernen Menschen indes zeichnet aus, dass er Einfaches nicht einfach einfach lässt, sondern Schnödes stattdessen unnötig verkompliziert (wie diesen Satz). Der Fußball darf da keine Ausnahme sein. Um über abkippende Neun, Box-to-Box-Player, Restverteidigung, Gegenpressing und Schienenspieler zu referieren, bedarf es Fußball-Lehrer mit Uefa-Pro-Lizenz, die ein Assistenztrainer- und Betreuerteam um sich scharen, das Klassenzimmer füllt.
Ex-FCA-Trainer Manuel Baum engagiert sich in der F-Jugend des TSV Trudering
Kinder jedoch verfügen über taktische Jungfräulichkeit. Kicken, weil und wie es ihnen gefällt. Treten gegen den Ball, fernab von Systemfragen. In der F-Jugend des TSV Trudering hat jedoch der ehemalige FCA- und Schalke-Übungsleiter Manuel Baum das Sagen. Der 42-Jährige wohnt um die Ecke, sein siebenjähriger Sohn kickt dort. Man kann sich bildlich vorstellen, wie der Taktik-Nerd und Fernsehanalyst versucht, den Kindern Viererketten, Positionsspiel und kompaktes Verschieben einzutrichtern, jedoch an Gänseblümchen-Pflückern, plötzlicher Unlust oder verknoteten Schnürsenkeln scheitert.
Vielleicht verhält es sich aber ganz anders. Der Altersunterschied zwischen Baums aktueller und ehemaliger Mannschaft mag enorm sein, das Verhalten der Spieler könnte sich aber ähneln. Zum Training bringen sie ihre Spielzeugautos mit; sie essen, was ihnen schmeckt – weniger, was ihrem Körper guttut; wenn Tim dem Pascal vors Schienbein tritt, ist einer beleidigt; geht der Trainer einen Spieler verbal härter an, steht einer auf der Matte (statt Spielerberater Mama oder Papa); nach großen Niederlagen wird bitterlich geweint; und letztlich wollen sie alle nur spielen.
Womöglich helfen Baum Beckenbauers Weisheiten mehr als Wissenschaft und Taktik.
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