Bo Svensson – der Philosoph auf der Trainerbank
Mit dem Bundesligisten FSV Mainz 05 hat Bo Svensson im vergangenen Jahr Historisches geschafft. Warum der Däne in seinem Tun einen Gegenentwurf zum gängigen Profifußball darstellt.
Revolutionär ist der Ansatz nicht. Jeden Tag jeden Spieler verbessern, das beabsichtigte schon Jürgen Klinsmann beim FC Bayern München. Doch im Gegensatz zum gescheiterten Schwaben kann Bo Svensson behaupten, angestrebten Einfluss zu nehmen. Als der smarte Däne den Fußball-Bundesligisten Mainz 05 im Januar 2021 übernahm, taumelte dieser aussichtslos dem Abstieg entgegen. Svensson aber ließ sich nicht schrecken. Zu eng die Bindung nach Mainz, wo seine Frau und seine drei Kinder seit Jahren leben, zu innig die Liebe des Ex-Spielers zum Klub.
Der Skandinavier nahm die Herausforderung an, wollte etwas Nachhaltiges schaffen. Er musste mit einem Neustart in der Zweitklassigkeit rechnen, doch verbuchte erstaunlich schnell Erfolge. Historisches gelang, in 20 Spielen holte Mainz 33 Punkte, wies die Bilanz einer Spitzenmannschaft auf und blieb am Saisonende Bundesligist. Als Svensson einmal über Hintergründe erzählen sollte, betonte er: „Das Allerschönste an dem Beruf ist der Aspekt: Kann ich den Einzelnen, einen Spieler oder Mitarbeiter, dabei unterstützen, besser oder sogar glücklicher zu werden?“ In der laufenden Runde ging Svensson den erfolgreichen Weg weiter. Vor dem Spiel beim FC Augsburg (Mittwoch, 18.30 Uhr) darf Mainz hoffen, ab Sommer international zu spielen.
Bo Svensson wollte nach seiner Spielerkarriere studieren und Lehrer werden
Svensson bringt den Intellekt mit, empathisch einzuwirken. Eher hinterfragt er sein Verhalten als das seiner Spieler. Eigentlich erstaunlich, dass er im oft so oberflächlichen Profifußball hängen geblieben ist. Wiederholt sinnierte der 42-Jährige, ob er hier seine Berufung findet. 2014, nach seinem Karriereende, wollte er studieren und Lehrer werden, ehe ihn der damalige Mainzer Coach Kasper Hjulmand in den Trainerstab holte.
Svensson stammt aus dem Kopenhagener Bildungsbürgertum, sein Vater, ein studierter Architekt, der Naturschutzgebiete auswies, ging mit ihm in Museen oder auf die Pferderennbahn, und zu Hause gab es bewusst keinen Fernseher. Das prägte ihn. Früh entdeckte er den Leistungssport für sich, doch als Jungprofi des FC Kopenhagen zweifelte er an einer Karriere. Wachstumsschübe schwächten seine Koordination. Trost und Hilfe fand er in Büchern großer Philosophen des Existenzialismus: in Kierkegaard, Sartre oder Camus. Er kickte nicht mehr nur, er studierte nebenbei Literatur.
Wer mag, kann in Sartres These, jeder könne sein Schicksal selbst bestimmen, einen Ansatz sehen, warum Mainz im vergangenen Jahr nicht abgestiegen ist. Oder warum Svensson gerne über die Identität eines Klubs spricht. Über das große Ganze, ohne Details zu vernachlässigen. Prinzipien seien wichtiger als der Trainer, meint Svensson. Einen Satz, den Pep Guardiola wohl niemals von sich geben würde. An Vergleichen mit Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel kommt Svensson in Mainz nicht vorbei. Unter beiden spielte er, ohne sie wäre er selbst kein Trainer geworden. In seiner Außendarstellung wirkt Svensson hingegen bedeutend sympathischer.
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