Mit Walterball in die Bundesliga: Das ist HSV-Coach Tim Walter
Der 46-Jährige gilt als einer der ungewöhnlichsten Trainer im Geschäft - und könnte mit einem Erfolg gegen Hertha einen Kaffee-Freund in den Abgrund stürzen.
Es gibt wenige Fußballvereine, die ihren Anhängern in der jüngsten Vergangenheit ähnlich viel Kummer bereitet haben wie der Hamburger SV. Der einstige Bundesliga-Dino verabschiedete sich nach Jahren des Taumelns am Abgrund vor vier Jahren in die Zweitklassigkeit. Dreimal in Folge startete der HSV gut, dreimal kam am Ende das Nervenflattern, dreimal verpasste der Verein um einen Platz das Ziel und wurde Vierter.
Und auch diesmal sah es lange so aus, als ob es nichts wird mit dem Aufstiegsrennen. Einer, der nie den Mut verlor und dieses Selbstbewusstsein gewissermaßen zum Konzept erkoren hat, hat am Montagabend beim Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC Berlin (20.30, live auf Sat.1 und Sky) die Chance, den HSV wieder zum Erstligisten zu machen: Trainer Tim Walter.
1,92 Meter, Rauschebart, Basecaps: Tim Walter fällt auf
Der 46-Jährige ist vielleicht der deutsche Trainer, der den ungewöhnlichsten Fußball spielen lässt. "Walterball" nannte das Fachmagazin 11Freunde das System, das daraus besteht, dass die Formation sich nur erahnen lässt, Spieler ständig Positionen tauschen und alles auf möglichst viel Offensive mit möglichst viel Ballbesitz ausgelegt ist. Um damit erfolgreich zu sein, benötigen Mannschaften das Selbstbewusstsein, das ihr Trainer ausstrahlt. Der 1,92 Meter große Coach fällt nicht nur auf wegen des Tragens eines weißen Rauschebarts und der teils sehr jugendlichen Baseballcaps, sondern auch mit forschen Aussagen auf. Das wiederum wird ihm an guten Tagen als Mut, an weniger guten als Arroganz ausgelegt.
Fakt ist: Auch als der HSV in dieser Saison zeitweise schon abgeschrieben war, ließ Trainer Walter weiter den forschen Offensivfußball spielen. Und während die Konkurrenz schwächelte, schaffte es der HSV mit fünf Siegen im Finish auf Rang drei, was die Teilnahme an der Relegation bedeutete.
Mit Felix Magath traf sich Walter in München öfter zum Kaffeeklatsch
Dort wiederum traf Walter auf einen Trainerkollegen, mit dem er sich in München des Öfteren zum Kaffee-Klatsch getroffen hat: Felix Magath, seit kurzem Trainer des Relegationsgegners Hertha BSC. Walter, der nach Jahren beim Karlsruher SC nach München gezogen ist, wo er zeitweise die zweite Mannschaft des FC Bayern betreut hatte, bezeichnet die bayerische Landeshauptstadt längst als "Heimat" für ihn, seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder. Mit Magath teilt er sich die Wahlheimat und die Vorliebe für Marmorkuchen.
Die Spielweise der beiden Mannschaften hätte im Hinspiel aber nicht unterschiedlicher sein können: Während die Hertha bei der 0:1-Niederlage immer nervöser agierte, zog der HSV Ball und Spiel an sich. Walterball eben. Am Ende könnte diese Spielweise jene sein, die Hamburg endlich wieder dahin bringt, wo man sich selbst sieht: in die Bundesliga. Dass nun Druck herrscht, sei kein Problem, sagte Walter: "Es ist ein Privileg. Wir haben gefühlt seit Wochen Endspiele."
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