An der Grenze zur Ohnmacht: Gefährliche Würgespiele
Videos zu Würgespielen kursieren im Internet und animieren Kinder zum Nachahmen. Über die Gefahren der vermeintlichen Spiele wissen die wenigsten Bescheid. Vorbeugen können Eltern nicht, aber ihre Kinder offensiv über Gefahren aufklären.
Genaue Anleitungen finden sie im Internet, die Risiken sind jedoch meist unbekannt: Würgespiele üben oft einen großen Reiz auf Jugendliche aus. In den vergangenen Jahren starben einige Teenager in Deutschland, nachdem sie sich bei den Spielen versehentlich stranguliert hatten. Sie sind wohl nicht die einzigen. Mediziner Lothar Schrod, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Frankfurt Höchst, geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
"Würgespiele sind nichts Neues", sagt Schrod. "Bei diesen Spielen wird gezielt eine Bewusstlosigkeit provoziert. An der Grenze zur Bewusstlosigkeit, wenn das Gehirn vermindert durchblutet wird, entstehen rauschartige Eindrücke."
Die Spiele mit verharmlosenden Namen wie "Pilotentest" oder "Indischer Traum" werden in verschiedenen Varianten praktiziert: Entweder drückt sich eine Person alleine mit den Händen oder auch mit einem Gürtel die Blutzufuhr am Hals ab.
Mitunter gehen der Strangulation starke körperliche Belastungen wie schnelle Kniebeugen verbunden mit einem langen Ein- und Ausatmen (Hyperventilation) voraus. "Sauerstoffmangel im Gehirn führt zum einen zu einer kurzfristigen Ausschüttung von lebensrettenden Hormonen - wie in extremen Stresssituationen - und von Endorphinen. Zum anderen fallen die Gehirnzellen nach und nach aus", erklärt Schrod.
Besonders empfindlich seien die höheren Hirnfunktionen. Das hat eine ganze Reihe von Risiken zur Folge. Langfristig können nach einer Minderdurchblutung Nervenzellen geschädigt werden oder gar absterben. Wer ohnmächtig stürzt, kann sich gefährlich an Kopf oder Knochen verletzen oder sich auch übergeben. "Eine Ohnmacht kann epileptische Krampfanfälle, eine Gefäßblutung im Kopf oder auch einen Kreislaufstillstand provozieren", warnt Schrod.
Mitschüler erkennen Komplikationen meist erst, wenn der Betroffene sich nicht nach einigen Minuten erholt. Im Ernstfall zählen jedoch Minuten. Besonders gefährlich ist das Spiel alleine, vor allem mit Hilfsmitteln: Wenn ein Jugendlicher die Schlinge um den Hals nicht rechtzeitig lockert, kann er sich selbst strangulieren.
Dass sie mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben spielen, ist den Jugendlichen oft nicht bewusst. Spielanleitungen werden durch Mundpropaganda, in Online-Kommentaren und Chat-Foren verbreitet. Und: Stichworte wie "Pilotentest" bringen auf Plattformen wie YouTube oder MyVideo weit über 100 Treffer.
Das Unternehmen jugendschutz.net arbeitet mit der Kommission für Jugendmedienschutz zusammen und kontrolliert das Internet. "Wir nutzen unsere Kontakte zu Google und anderen Plattformen und können sie bitten, Inhalte, die wir für jugendgefährdend halten, in den Über-18-Bereich zu schieben oder sie ganz aus dem Netz zu löschen", sagte Anja Zimmermann von jugendschutz.net. "Bei deutschen Anbietern stoßen wir mit unseren Anliegen in der Regel auf viel Gehör, bei ausländischen Anbietern gerade aus den USA ist es deutlich schwieriger."
Kindersicherungen auf dem Computer helfen nur bedingt: Eltern müssten sie durch Stichworte wie "würge" oder "pilot" manuell erweitern oder aber jede einzelne Seite ausfindig machen und blockieren, die sich mit dem Thema beschäftigt. Der ganze Filter nutzt zudem nur zu Hause, nicht aber, wenn der Jugendliche bei einem Freund surft. Letztlich ist die einzige Chance, offensiv mit dem Thema umzugehen. Es reicht nicht, Kindern zu sagen, dass sie damit aufhören müssen. Sie müssen wissen, warum die Spiele so gefährlich sind und dass sie nichts mit einem coolen Spaß zu tun haben. (dpa)
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