Aktionäre attackieren Achleitner
Die Deutsche Bank steckt immer noch mitten in der Krise. Das erzürnt die Anteilseigner. Einige von ihnen haben längst einen Schuldigen ausgemacht: den Aufsichtsratschef. Er kassiert heftige Kritik
Im Frühjahr 2015 sagte Paul Achleitner einen bemerkenswerten Satz. Auf die Frage, ob die damalige Doppel-Spitze der Deutschen Bank unersetzbar sei, antwortete der Aufsichtsratschef nüchtern: „Wer ist das schon?“ Wenig später tauschte der Aufsichtsrat das Duo Anshu Jain/Jürgen Fitschen aus. Seit April 2018 versucht Christian Sewing als vierter Vorstandschef der Ära Achleitner sein Glück. Und es scheint, als würde der ehemalige Leiter des Privatkundengeschäfts – aus Sicht der Aktionäre – vieles richtig machen: Die Kosten sanken, ebenso schrumpfte die Zahl der Angestellten um 6000 auf 91700 Mitarbeiter, der Kapitalpuffer bliebt über 13 Prozent.
Während Sewings Bilanz also positiv ausfällt, rückt Achleitner immer weiter ins Zentrum der Kritik. Ist er noch der richtige Mann an der Spitze des Kontrollgremiums? Er hat darauf eine klare Antwort: „Bin ich die Wurzel allen Übels? Nein, natürlich bin ich das nicht“, sagt er auf der Hauptversammlung.
Viele Aktionäre sehen das anders: Nur 71,63 Prozent des vertretenen Grundkapitals stimmen für seine Entlastung für das abgelaufene Geschäftsjahr, Sewing schneidet mit 75,23 Prozent auch nicht viel besser ab. Üblich sind Quoten von mehr als 90 Prozent. „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen“, schimpft Karl-Walter Freitag, der erneut einen Antrag auf Abberufung Achleitners stellen lässt.
Auch gemäßigtere Aktionärsvertreter äußern sich unzufrieden mit Achleitner: „Trotz mehrmaligen Austauschs des Managements ist der Umbau der Bank noch nicht abgeschlossen und die Profitabilität lässt zu wünschen übrig“, stellt Andreas Thomae von Deka Investment fest. Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung (DSW), zeigt Achleitner verbal die Gelbe Karte. Der seit gut einem Jahr amtierende Konzernchef Sewing mühe sich redlich – auch beim überfälligen Umbau des Kapitalmarktgeschäfts. „Aber möglicherweise wurden die Schritte zu spät eingeleitet, wurde zu viel Zeit verloren in den letzten Jahren“, sagt er. Der Aufsichtsrat hätte „dafür sorgen können und müssen, dass der Vorstand sich nicht in endlosen Strategiedebatten und Analysen verliert, sondern zügig und konsequent handelt, umsetzt und liefert“.
Fakt ist: Die einst stolze Deutsche Bank ist zehn Jahre nach der Finanzkrise meilenweit entfernt von ihrer einstigen Größe.
Doch Sewing arbeitet an einer Wende. „Wir sind zu harten Einschnitten bereit“, sagt er. Er will die Transformation beschleunigen. „Indem wir die Bank konsequent auf die profitablen und wachsenden Bereiche ausrichten, die für unsere Kunden besonders relevant sind“, betont er. Nicht dazu zählt aus seiner Sicht das Investmentbanking. Das soll künftig nur noch solche Geschäfte machen, die entweder ausreichend profitabel oder als Dienstleistung für andere Geschäftsbereiche wichtig sind. Als Positivbeispiel führt Sewing dagegen die Beratung von Unternehmenskunden, die Ausgabe von Wertpapieren, den Handel mit Unternehmensanleihen sowie die gewerbliche Immobilienfinanzierung in den USA an.
Doch vielen Investoren und Aktionären geht der Umbau zu langsam. Ausgerechnet am Tag der Hauptversammlung sackt der Kurs der Aktie auf ein Rekordtief von 6,35 Euro ab. Der Börsenwert schmolz zuletzt auf weniger als 14 Milliarden Euro. Der aufstrebende Zahlungsabwickler Wirecard bringt es aktuell auf fast 20 Milliarden Euro.
Es sei Zeit, Aufsichtsrat und Vorstand für Jahre voll Strafzahlungen, Imageverlust und Niedergang des Aktienkurses zur Rechenschaft zu ziehen, meinen nicht nur ISS und Glass Lewis, die Investoren beraten.
Gelingt Achleitner noch die Neuausrichtung des Konzerns? Sewing zumindest zeigt sich entschlossen: „Wir müssen anders denken und arbeiten.“ Blockierer will er in die Schranken weisen: „Zu oft hatten in unserer Bank diejenigen die Oberhand, die bremsen, anstatt Neues zu ermöglichen.“ Nach Jahren voller Nackenschläge sollen sich die Beschäftigten nicht mehr schämen, für die Deutsche Bank tätig zu sein: „Ich möchte den Stolz zurückbringen, für dieses Institut zu arbeiten“, sagt Sewing. „Und verwechseln Sie nicht Stolz mit Arroganz, die ist fehl am Platz.“
Viele Aktionäre wünschen sich auch mehr Bescheidenheit beim Thema Bezahlung. Dass Investmentbanker üppige Boni einstreichen, während Aktionäre mit elf Cent Dividende abgespeist werden, kommt nicht gut an. „Das krasse Missverhältnis zwischen Boni und Dividenden muss bei der Deutschen Bank endlich ins Lot gebracht werden“, fordert Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment. Doch bei aller Kritik stellt sie klar: Auch Achleitner verdiene eine Chance. Offensichtlich sehen das auch viele andere Aktionäre so: Der Antrag auf Abwahl Achleitners als Hauptversammlungsleiter wird mit über 99 Prozent der Stimmen abgeschmettert. Als Aufsichtsrat ist er ohnehin nur bis 2022 gewählt. (dpa)
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