Experten: Gen-Mais könnte durch Pollen nach Deutschland kommen
Deutschland darf den Anbau von Gen-Pflanzen verbieten. Verbände glauben aber, dass ein nationales Verbot nicht ausreicht. Denn Pollen könnten auch anders über die Grenzen kommen.
Das europäische Kuriositäten-Kabinett ist seit gestern um ein Stück reicher. Denn die Vorschrift zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, die die Umweltminister der EU am Donnerstag in Luxemburg beschlossen haben, regelt vor allem eines: ein heilloses Durcheinander auf europäischer Ebene.
Grund ist eine Ausstiegsklausel, auf die sich die Mitgliedstaaten im Vorfeld verständigt hatten. Eigentlich spricht sich die EU für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen aus. Künftig kann ein Land aber zu Beginn eines Zulassungsverfahrens fordern, dass das zuständige Unternehmen in seinem Antrag den Mitgliedstaat ausnimmt. Folgt der Konzern dem Ansinnen nicht, soll der Anbau auf nationaler Ebene verboten werden können. Als Begründung gelten nun auch nicht-wissenschaftliche Argumente, etwa die Ablehnung der Bevölkerung.
Gen-Food: Umweltorganisationen lehnen europäische Ausstiegsklausel ab
Das betroffene Unternehmen darf jedoch gegen das nationale Verbot klagen. Zwar sagte der deutsche Agrarminister Christian Schmidt, der „von Einzelnen geäußerte Vorwurf, wir müssten mit den Konzernen verhandeln, trifft nicht zu“. Dennoch kann der Hersteller vor Gericht ziehen. Das könnte gravierende Folgen haben. Experten, darunter der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, zweifeln daran, dass das Verbot aufgrund der Bedenken der Bevölkerung juristisch zu verteidigen ist, wenn das Unternehmen sich auf eine Zulassung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) berufen könnte.
Umweltorganisationen lehnen die europäische Ausstiegsklausel deshalb ab. Was von der Bundesregierung als Sieg der Gentechnikgegner gefeiert werde, sei in Wahrheit ein „vergiftetes Geschenk“, kritisiert Heike Moldenhauer, Gentechnikexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Moldenhauer folgend ist folgendes Szenario denkbar: Will ein Konzern etwa gentechnisch veränderten Mais einführen, kann Deutschland zwar den Anbau im eigenen Land verbieten.
Front der Gentechnik-Gegner in Europa zu klein
Aus Solidaritätsgründen darf es sich im Gegenzug aber den Zulassungen in der übrigen EU nicht widersetzen. Kurt Schmid vom BUND-Naturschutz in Bayern fürchtet, dass sich die Gen-Pflanzen trotz Anbauverbots auch in Bayern ausbreiten könnten. Wenn etwa der Wind die Pollen aus Frankreich in Richtung Westen bläst: „Die Grenzen sind nicht zu schließen.“
Das Gesetz kam nur durch einen Trick zustande. Nur drei Mitgliedstaaten (Großbritannien, Schweden und Spanien) hatten sich Anfang des Jahres für eine generelle Anbau-Erlaubnis ausgesprochen. Da sich aber neben Deutschland auch Portugal, Belgien und Tschechien der Stimme enthielten, war die Front der Gegner zu klein. Nach den Brüsseler Spielregeln muss der Anbau zugelassen werden. mit afp
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