Iberogast bereitet dem Bayer-Konzern Magenschmerzen
Das Mittel steht im Verdacht, leberschädigend zu sein. Seit Jahren versucht ein deutsches Institut zusätzliche Warnhinweise durchzusetzen. In der Schweiz hat es geklappt.
Übelkeit. Sodbrennen. Magenschmerzen. Bei all diesen Beschwerden soll das beliebte Arzneimittel Iberogast Abhilfe schaffen. Der Pharmakonzern Bayer preist das Produkt gerne wegen seinen rein pflanzlichen Inhaltsstoffen an. Doch gerade da liegt das Problem. Einer dieser Stoffe, genauer Schöllkraut, wird seit Jahren vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kritisch gesehen.
Aufgrund möglicher Leberschäden durch das Kraut forderte das Institut bereits 2008 Änderungen an den Beipackzetteln mehrere Arzneimittel. Bis auf ein Unternehmen folgten alle anderen den Aufforderungen, auf die möglichen Nebenwirkungen von Schöllkraut hinzuweisen. Iberogast-Hersteller Steigerwald legte damals Widerspruch ein. Statt diesen zu akzeptieren oder dagegen zu klagen, entschied sich das Institut für Arzneimittel abzuwarten und weitere Verdachtsfälle zu sammeln.
2017 war es dann so weit: Das Institut wies den Widerspruch zurück. Mittlerweile wurde Steigerwald im Jahr 2013 vom Pharmakonzern Bayer gekauft. Statt im Beipackzettel seines Verkaufsschlagers die geforderten Warnhinweise zu ergänzen, legte der Konzern Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht ein. Maik Pommer, Sprecher des Instituts für Arzneimittel, sagt: „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu einem laufenden Verfahren nicht weitergehend äußern können.“
Was heißt die Beschreibung „Sehr selten“ im Beipackzettel genau?
Anders sieht es in der Schweiz aus. Dort hat im Januar das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic einen Warnhinweis wegen schwerwiegender Leberschädigungen auf dem Beipackzettel von Iberogast durchgesetzt. Jedoch wurde auch dagegen Beschwerde eingelegt. Gleichzeitig hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht im Rahmen eines Zwischenentscheids aber über die vorläufige Anpassung der Arzneimittelinformation während der Dauer des Verfahrens entschieden. Folglich steht aktuell im Beipackzettel unter Nebenwirkungen für Iberogast: „Sehr selten: akutes Leberversagen, Leberentzündung (Hepatitis) und nachteilige Wirkungen auf die Leberfunktionswerte (erhöhte Transaminasen- und Bilirubinwerte).“ An derselben Stelle steht im deutschen Beipackzettel nichts von alledem.
Wie kam es zu der Änderung in der Schweiz? Danièle Bersier von Swissmedic sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „In den vergangenen Jahren hat es in der Schweiz mehrere Fälle von Leberschädigungen durch Iberogast gegeben.“ Diese seien nicht voraussehbar und könnten schwerwiegend, sogar lebensbedrohend verlaufen. Müssen sich Patienten, die Iberogast zu sich nehmen, Sorgen machen? Was heißt die Beschreibung „Sehr selten“ im Beipackzettel genau? Wie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller sagt, tritt die Nebenwirkung bei weniger als einen von 10.000 Behandelten (einschließlich Einzelfälle) auf.
Bayer teilt mit, dass in Iberogast, ein Extrakt aus der Pflanze Schöllkraut enthalten sei. Für diesen Inhaltsstoff (Alkaloid) trete bei einer Dosis ab acht Milligramm Alkaloiden pro Tag vereinzelt Leberschädigungen auf, was in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben würde. Iberogast enthalte hingegen nur 0,3 Milligramm Gesamtalkaloide in der empfohlenen Tagesdosis. Deswegen das Unternehmen keine Änderungen am Beipackzettel vorsieht. Die Aktie von Bayer ist in den vergangenen Tagen gefallen und liegt aktuell bei 97,91 Euro (Stand: 17 Uhr). Für Bayer ist Iberogast ein lohnendes Produkt. Wie die FAZ berichtet, setzten Apotheken im vergangenen Jahr rund 120 Millionen Euro damit um.
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