Nordsee statt Adria - viele planen Urlaub im eigenen Land
"Buchungszurückhaltung" - wie ein Damoklesschwert schwebt das Wort über der Tourismusbranche. Doch die Botschaft, die von der Reisemesse CMT in Stuttgart ausgeht, ist positiv.
Es gibt dieses Wort, das wie ein Damoklesschwert über der Tourismusbranche schwebt. Und dieses Wort heißt "Buchungszurückhaltung". Doch die Botschaft, die von der Reisemesse CMT in Stuttgart ausgeht, ist positiv.
Die Deutschen lassen sich von der Wirtschaftskrise die Urlaubslust nicht vermiesen. Ob dies auch tatsächlich zu einer frühen Buchungslust führt, ist die Frage aller Fragen. Die Reiseveranstalter werden sich damit abfinden müssen: Die Kunden bleiben trotz niedrigerer Preise unberechenbar und buchen spät.
Urlaub bleibt für die Deutschen wichtig. Nur für Lebensmittel, Wohnen und Gesundheit geben sie lieber Geld aus. Die Urlaubsreise gehört zum Lebensstandard wie der jährliche Kauf eines Weihnachtsbaumes. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen ermittelte: 77 Prozent der Deutschen haben sich schon vergangenen November Gedanken über ihren Sommerurlaub gemacht. 47 Prozent sagen, sie hätten das Geld dafür, 56 Prozent auch die nötige Zeit.
Urlaub gehört zum Leben wie der Kauf des Weihnachtsbaumes
Gute Indikatoren zum Jahresauftakt für eine verunsicherte Branche, die vergangenes Jahr starke Umsatzeinbußen verzeichnete. Wie Martin Lohmann, wissenschaftlicher Berater der Forschungsgemeinschaft, gestern betonte, ist die Urlaubslust der Deutschen aktuell auf einem höheren Niveau als vor einem Jahr. Auch sei die Zahl derjenigen gewachsen, die schon jetzt absehen können, dass für sie dieses Jahr eine Urlaubsreise möglich ist.
Die 2009 deutlich spürbare Unsicherheit habe abgenommen. Allerdings müsse dies nicht zu einer höheren Nachfrage nach Urlaubsreisen führen oder gar zu früheren Buchungen. Für 2010 rechnet Lohmann höchstens mit einem leichten Wachstum. Der Trend geht zu immer individuelleren Reisen, die großen Veranstalter müssen eher mit einem Rückgang der Nachfrage rechnen.
Das wichtigste Reiseziel der Deutschen wird auch 2010 das eigene Land sein. 30 Prozent der Befragten planen dieses Jahr eine Reise zu einem inländischen Urlaubsziel. In der Hitparade der beliebtesten Urlaubsziele folgen: Spanien, Italien, Türkei und Österreich (knapp zwei Drittel aller Urlaubsreisen). Gleichzeitig ist das Interesse an Fernreisen und Luxusreisen groß, was zum Teil daran liegt, dass die Reisenden bei insgesamt sinkenden Preisen der Veranstalter höherwertige Reisen buchen. Denn diese sind dann plötzlich im Budget drin.
Gleichzeitig, stellt Lohmann fest, werden die Reiseziele immer austauschbarer. Karibik oder Kärnten, Ostsee oder Ofterschwang im Allgäu: Die Kunden werden immer flexibler. Als "multi-optional" bezeichnet der Wissenschaftler dieses Phänomen. Wer letztes Jahr noch am Strand von Rimini lag, radelt dieses Jahr vielleicht durch Frankreich. Dennoch bleiben der Strandurlaub, die Natur- und Familienferien die verlässlichen Klassiker für die Reiseveranstalter, die es insgesamt schwer haben, den immer individuelleren Wünschen ihrer Kunden hinterherzukommen. Mögliches Wachstum sieht Lohmann nur in kleineren Branchensegmenten, etwa Kreuzfahrt, Radreisen oder Gesundheitsurlaub.
Der Wettbewerb zwischen den Reiseveranstaltern wird weiter zunehmen. Schon 2009 konnten die Urlaubsanbieter den Umsatzrückgang nur durch Verknappung der Kapazitäten und härtere Kalkulation einigermaßen ausgleichen.
Gleichzeitig sollen Preissenkungen - im Branchenschnitt durchschnittlich fünf Prozent - den Urlaub schmackhaft machen. So könnte es laut Lohmann gut sein, dass die Kunden "als lachende Dritte" aus diesem harten Wettbewerb hervorgehen.
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