Zum 100. Geburtstag von Gründer Karl Albrecht stößt Aldi an seine Grenzen
Am Donnerstag wäre der Aldi-Gründer 100 Jahre alt geworden. Sein Discounter-Konzept hat in der Wirtschaftswunderzeit bestens funktioniert. Heute haben die Kunden aber andere Ansprüche.
Karl Albrecht hat das Einkaufen für Millionen Menschen billiger gemacht. Zusammen mit seinem Bruder Theo erfand der am 20. Februar 1920 in Essen geborene Aldi-Gründer den Lebensmitteldiscounter und lehrte die Supermärkte das Fürchten. Doch ausgerechnet zum 100. Geburtstag des 2014 verstorbenen Unternehmers stößt das Erfolgsmodell Discount an seine Grenzen. Albrechts Enkel müssen deshalb neue Wege gehen.
Es ist eine nicht ungefährliche Gratwanderung. "In den letzten Jahren ist deutlich geworden, das Konzept zieht nicht mehr", sagt der Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts EHI, Michael Gerling. Das Problem: Die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Als Karl und Theo Albrecht nach dem Zweiten Weltkrieg in Essen das elterliche Lebensmittelgeschäft übernahmen und Aldi – die Abkürzung für Albrecht Diskont – erfanden, da ging es in den Läden spartanisch zu. Die Auswahl an Lebensmitteln war klein, präsentiert wurden sie schmucklos in Kartons auf Paletten gestapelt unter kaltem Neonlicht. Markenartikel suchte man vergebens. Nur so waren die niedrigen Preise möglich, die den Discounter berühmt und erfolgreich machten. Doch 50 Jahre später hat sich die Gesellschaft verändert.
Ein Problem für Aldi: Den Kunden geht es heute nicht mehr nur um den Preis
Dem Verbraucher geht es längst nicht mehr nur um den Preis. Er verlangt inzwischen "neben akzeptablen Preisen auch eine angenehme Einkaufsatmosphäre und ein attraktives Angebot an ökologisch nachhaltigen Produkten", wie GfK-Handelsexperte Robert Kecskes erklärt. Für immer mehr Kunden sei die Qualität wichtiger als der Preis. Themen wie Nachhaltigkeit, Plastikvermeidung und Bio spielen eine immer größere Rolle. Außerdem wollen die Konsumenten ihre Einkäufe möglichst bequem alle auf einmal erledigen. Die Folge: Edeka, Rewe und Co. nahmen den Discountern mit ihrem weitaus größeren Sortiment im vergangenen Jahr Marktanteile ab, wie eine Marktstudie der GfK zeigt. Während Aldi in Großbritannien und den USA den großen Supermärkten auch heute erfolgreich Kunden abspenstig macht, geht der Trend in Deutschland in die umgekehrte Richtung. Und vor allem: Auch der Dauerrivale Lidl schlug sich laut den Marktforschern besser als der Erfinder des Discountkonzepts. Aldi ist der Stimmungswandel nicht entgangen und das Unternehmen hat reagiert. "Wir interpretieren den Discount neu, setzen auf ein ansprechenderes Ambiente und eine größere Auswahl. Aber wir machen das behutsam und bleiben unseren Prinzipien treu", betont Aldi-Süd-Sprecher Peter Wübben. Aldi hat sein Filialnetz mit Milliardenaufwand modernisiert. Der Discounter setzt auf größere Läden, schicke Regale, ausgeklügelte Beleuchtung und sorgfältig inszeniertes Wohlfühlambiente. In den Märkten gibt es heute Frische-Abteilungen für Obst und Gemüse und ein üppiges Angebot an frischen Backwaren. Und es finden sich immer mehr Markenartikel von Persil bis Red Bull im Angebot. Die neue Strategie hat allerdings auch Kritiker auf den Plan gerufen.
Wird der Discounter mehr zu einem Supermarkt?
Der frühere Aldi-Manager und Discountexperte Dieter Brandes etwa hält die Aufwertung der Filialen und die Aufstockung des Warenangebots für einen Irrweg. "Aldi hat sich in den letzten Jahren von Tag zu Tag mehr zum gewöhnlichen Supermarkt entwickelt. Eigentlich fehlt noch die Fleischabteilung in Bedienung", sagt er – und meint das gar nicht positiv: Der Discounter verliere durch die höheren Kosten seinen Wettbewerbsvorteil und sein Profil. Auch EHI-Experte Gerling sieht das Problem. Dennoch könne der Billiganbieter mit der Angebotsvielfalt in den Supermärkten nicht mithalten. "Da stellt sich die Frage, ob es nicht ein riskanter Weg ist, was Aldi da macht."
Wenn die Menschen weniger Geld haben, könnte Aldi profitieren
Bei Aldi Süd sieht man keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg. "Hard-Discount, wie er vor 30 Jahren üblich war, funktioniert heute nicht mehr. Wir mussten uns weiterentwickeln, sonst hätten wir dem Wettbewerb das Feld überlassen", meint Wübben. "Aber mit unseren neuen Konzepten kommen wir dem Konsumtrend stark entgegen – und wir spüren bereits: Es funktioniert." Ohnehin sei der Erfolg der Supermärkte zum großen Teil auch der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt und der guten Konsumstimmung zu verdanken, betont Marktforscher Kecskes. Sollten sich die Konjunktur aber weiter eintrüben und die Arbeitsplatzängste um sich greifen, dann könne sich das Blatt schnell wenden. "Wenn wieder wirtschaftlich schwierigere Zeiten kommen, ist Aldi gut aufgestellt", ist der Handelsexperte überzeugt. (dpa)
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