Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

"Fuckup Night" der IHK: Wie der Bionade-Erfinder aus seiner eigenen Firma flog

"Fuckup Night" der IHK

Wie der Bionade-Erfinder aus seiner eigenen Firma flog

    • |
    Peter Kowalsky, Erfinder der Bionade, sprach bei der "Fuckup Night" der IHK über seine größten Fehler – und wie er letztlich aus der eigenen Firma flog.
    Peter Kowalsky, Erfinder der Bionade, sprach bei der "Fuckup Night" der IHK über seine größten Fehler – und wie er letztlich aus der eigenen Firma flog. Foto: Peter Fastl, IHK

    Peter Kowalsky ist bestens aufgelegt als er vor über 300 Zuschauern im alten Augsburger Gaswerk steht. Der Erfinder der Bionade gewann am Höhepunkt seiner Karriere sämtliche Preise in Deutschland. "Firma des Jahres, Unternehmer des Jahres – ich wurde alles 'des Jahres'", sagt der 54-Jährige auf der Bühne. Das Publikum lacht. Die Geschichte, die der Mann mit den dunkelblonden Locken erzählt, ist aber eigentlich alles andere als lustig. Kowalsky erzählt von seinem größten Fehler – und wie es dazu kam, dass er mit der Bionade heute nichts mehr zu tun hat.

    Der Auftritt ist Teil der ersten "Fuckup Night" der IHK. Dahinter steckt die Idee, dass Unternehmer von ihren "Fuckups" erzählen, also Niederlagen, Fehlern und Irrtümern. Die Botschaft richtet sich an Gründerinnen, Gründer, aber auch die Gesellschaft. "Es geht darum, jungen Menschen Mut zu machen – wenn etwas schiefgeht, weiterzumachen", sagt Heide Becker, Leiterin des Beratungszentrums Recht und Betriebswirtschaft der IHK Schwaben und Mit-Organisatorin des Events. "Wir wollen mit dieser Veranstaltung das Scheitern entstigmatisieren."

    Familie verkaufte 51 Prozent der Anteile an Vertriebsfirma für Bionade

    Peter Kowalskys Geschichte beginnt dabei vor fast 30 Jahren in Unterfranken. Die überschuldete Familienbrauerei sollte mit einer innovativen Idee gerettet werden: einer gebrauten Biolimonade. Rund zehn Jahre steckte Kowalsky in die Forschung und Entwicklung, fünf weitere Jahre war er auf der Suche nach Vertriebspartnern. In dieser Zeit wuchs der Schuldenberg der Brauerei.

    Doch der größte Fehler unterlief der Familie, als sie eine Vertriebsfirma für Bionade gründete. Sie verkaufte 51 Prozent der Anteile an einen befreundeten Unternehmer. Über Jahre ging das gut. 2007 war Bionade auf dem Höhepunkt. "Eigentlich wollten wir ein Kindergetränk machen – jetzt trinken uns Hipster und Studenten. Das wollten wir eigentlich nicht", erzählt Kowalsky mit einem Schmunzeln. Bionade war damals so groß wie Fanta und verkaufte 200 Millionen Flaschen im Jahr.

    Kowalsky flog 2012 aus der eigenen Firma

    Dass man 51 Prozent der Firma abgegeben hatte, rächte sich jedoch. Was folgte sind falsche Entscheidungen, der Verkauf der Anteile des Partnerunternehmens und der Einstieg eines Lebensmittelkonzerns, der 70 Prozent an der Vertriebsfirma übernahm. Doch der Konzern war nicht "bio-kompatibel", wie Kowalsky es nennt, und die Verkaufszahlen schrumpften. Um Bionade wieder zum Laufen zu bringen, wollte Kowalsky aus der Firma eine Genossenschaft machen und den Konzern herausbekommen. Doch das Gegenteil passierte: Die Familie wurde 2012 praktisch herausgedrängt, erzählt Kowalsky. Einen Groll hegt er heute deswegen nicht. Vielmehr will er "ein Plädoyer für das Scheitern" halten. "Ein Fehler an sich ist nichts Dummes, sondern kann eine neue Dimension eröffnen", sagt er. Inzwischen hat er ein neues Unternehmen gegründet.

    Auch der Augsburger Unternehmer Joachim Sedlmeir kennt das Gefühl vom ganz großen Absturz. Zusammen mit einem Mitgründer erfand Sedlmeir 2012 ein digitales, branchenübergreifendes Bonussystem für den Handel. Anfangs lief die Firma "Stampay" gut. In einer ersten Finanzierungsrunde konnten die beiden 1,4 Millionen Euro einsammeln, später weitere 3,6 Millionen. Doch die Firma musste einige Rückschläge verkraften. Der wichtigste Demokunde sprang ab, die Geräte zur Produktion der Hardware gingen kaputt und noch schlimmer: Sedlmeir und sein Mitgründer stellten 2017 fest, dass sie geschäftlich nicht zusammenpassten. "Das fühlte sich so an, als ob du mit 100 Sachen auf eine Betonmauer fährst", erzählt der 43-Jährige, der eine markante schwarze Brille und Vollbart trägt, auf der Bühne im Gaswerk.

    Joachim Sedlmeir: "Für mich gab's immer nur Plan A"

    Doch davon ließ er sich nicht aufhalten. "Für mich gab's immer nur Plan A, ich habe mich nie um Plan B gekümmert", sagt Sedlmeir. Neue Kunden wurden gefunden, genauso gute Mitarbeiter, die zum Unternehmen passten. Die defekten Geräte ließen sogar eine neue Idee entstehen, für die es keine Hardware brauchte: eine kontaktlose Zahlungsplattform, die über QR-Codes funktionierte.

    Der Augsburger Unternehmer Joachim Sedlmeir erzählte vor über 300 Zuschauern im alten Gaswerk davon, wie sein Start-up in den Sog von Wirecard gezogen wurde.
    Der Augsburger Unternehmer Joachim Sedlmeir erzählte vor über 300 Zuschauern im alten Gaswerk davon, wie sein Start-up in den Sog von Wirecard gezogen wurde. Foto: Peter Fastl, IHK

    Der damals milliardenschwere Zahlungsabwickler Wirecard zeigte Interesse an dieser Idee. Das Produkt sollte von Wirecard weltweit mitvermarktet werden. Parallel dazu wollte eine Verlagsgesellschaft eine siebenstellige Summe in das Unternehmen Sedlmeirs investieren. "Es hätte nicht besser kommen können."

    Doch die Freude kam zu früh. Als Sedlmeir 2020 gerade mit dem Auto auf dem Weg in ein langes Wochenende war, hörte er im Radio von den Unregelmäßigkeiten bei Wirecard. Das Wochenende verlief wenig erholsam. In den folgenden Wochen wurde das Ausmaß des Wirecard-Skandals bekannt. Da bereits ein wichtiger Teil der technischen Infrastruktur von Wirecard übernommen wurde, "hatten wir von heute auf morgen kein Produkt mehr". Auch die Verlagsgesellschaft wollte nicht mehr investieren.

    Wirecard-Skandal zog die Firma mit in den Strudel

    Sedlmeir musste die Firma abwickeln. Entmutigt hat ihn das aber nicht. Er gründete neu, kaufte beim Insolvenzverwalter die Vermögenswerte aus der alten Firma heraus, inklusive des Firmennamens. 2021 konnte er in seinem neuen Start-up wieder den ersten Mitarbeiter einstellen, der auch in der alten Firma gearbeitet hatte. Seit März 2022 ist auch ein Co-Gründer mit an Bord.

    Sedlmeir ist es wichtig, über solche Rückschläge zu sprechen. "Es geht darum, dass die Gesellschaft akzeptiert, dass Scheitern auch dazugehört", sagt der Augsburger. Insbesondere junge Unternehmerinnen und Unternehmer sollten mehr Rückhalt bekommen. So wünscht sich Sedlmeir eine Start-up-Kultur, in der "starre Dinge aufgebrochen werden". Mit seiner neuen Firma will Sedlmeir nun mit der Digitalisierung von Trinkgeldern durchstarten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden