Ex-Siemens-Chef Pierer: "Das ist ein Freispruch erster Klasse für mich"
Exklusiv Zunächst wurde der frühere Siemens-Chef von Pierer in Athen im Zuge der Schmiergeld-Affäre verurteilt. Nun kann der 81-Jährige aufatmen.
Das Verfahren in Griechenland zog sich. Heinrich von Pierer, dem ehemaligen Siemens-Vorstandsvorsitzenden, kam es schon wie ein „ewiges Verfahren“ vor. Rund acht Jahre dauerte die Sache. „Drei Mal war ich in Athen zur Vernehmung, zuletzt vor etwa 14 Tagen, um in dem Prozess noch einmal ein Statement abzugeben“, sagt er am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Vorwürfe, die gegen ihn und andere Ex-Manager des Münchner Konzerns erhoben wurden, waren heftig. So sollen bei einem Auftrag für Siemens im Jahr 1998 Schmiergelder von etwa 68 Millionen Euro an einflussreiche Menschen in Griechenland geflossen sein. Siemens-Mitarbeiter hätten damals, so wurde angeführt, Angestellte des griechischen Telekom-Konzerns OTE bestochen, um den Großauftrag zur Umstellung des Telefonnetzes von analoger auf digitale Technik zu ergattern.
Heinrich von Pierer war bis 2005 Siemens-Chef
Auch von Pierer, der von 1992 bis 2005 Siemens-Chef war, wurde Geldwäsche vorgehalten. Schließlich verurteilte Ende 2019 ein Gericht in Athen ehemalige Siemens-Leute überraschend zu hohen Haftstrafen, darunter von Pierer zu 15 Jahren Gefängnis. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft zuvor Freispruch beantragt hatte – ein ungewöhnlicher Vorgang in der Justizwelt.
Doch der Manager wirkte 2019 gefasst, als er unserer Redaktion sagte: „Ich gehe in Berufung.“ So blieb der Ex-Siemens-Chef für die Dauer des weiteren Verfahrens ein freier Mann. Er lebt wie zu der Zeit als Top-Manager in seiner Heimatstadt Erlangen und hat dort nach dem Ende seiner Konzern-Karriere ein Beratungsunternehmen aufgebaut, für das der 81-Jährige bis heute aktiv ist. Seit über 15 Jahren hält er an der Universität Erlangen-Nürnberg ein Seminar über gute Unternehmensführung. Hinzu kommen Beirats- und Aufsichtsratsmandate. Auch spielt von Pierer immer noch aktiv im Verein Tennis. Der Sport-Fan sitzt nach wie vor im Verwaltungsbeirat des FC Bayern.
Nach dem Hammer-Urteil in Athen war der Manager um Sachlichkeit bemüht. Er hat einst Rechtswissenschaften studiert. So berichtete von Pierer, bei seinen Besuchen in Griechenland nicht den Eindruck gewonnen zu haben, dass ihm ein Übel drohe. Eine Richterin, welche die Untersuchungen in einem vorgeschalteten Ermittlungsverfahren führte, habe ihm „während der Vernehmung ungefragt erklärt, dass gegen mich nichts Belastendes vorliege“. Trotz der für von Pierer erleichternden Einschätzung wurde dann aber das eigentliche Strafverfahren gegen ihn eröffnet. Nun ist er „erleichtert“.
Heinrich von Pierer: "Ich atme auf"
Das ewig scheinende Verfahren hat ein Ende. „Das ist ein Freispruch erster Klasse. Ich atme auf“, sagt der Manager. Von Pierer wurde vom Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft nach umfangreichen Ermittlungen einen Freispruch für ihn beantragt und dies damit begründet, dass es keinerlei Beweise für ein Fehlverhalten gegeben habe.
Dabei lagen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft im Wege der Amtshilfe Unterlagen aus den seinerzeitigen Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft und der US-Kanzlei Debevoise sowie umfangreiche Zeugenaussagen vor. Von Pierer legt Wert darauf, dass sein Freispruch nur zum Teil eine Folge der Verjährung der Vorgänge sei: „Denn nur die 20 Jahre und mehr zurückliegenden Sachverhalte sind verjährt.“
Die gegen ihn vorgetragenen Vorwürfe bezogen sich aber auch auf die Jahre 2002 bis 2005, seien also für den Zeitraum nicht hinfällig. Darauf beruht von Pierers Einschätzung, dass es sich um einen Freispruch erster Klasse handele. „Ich fühle mich in meiner Gelassenheit gegenüber dem Verfahren bestätigt“, sagt er. Rückblickend schätzt der Manager das Verfahren in Athen als „ordentlich“ ein. Alles sei korrekt gelaufen. Und er räumt ein: „Ich habe den Prozess stets ernst genommen.“
Von Pierer wurde im Schmiergeld-Skandal nicht verurteilt
Damit ist von Pierer im Zuge des Schmiergeld-Skandals nicht verurteilt worden, weder in Deutschland noch in Griechenland. Finanziell musste er aber massiv für den Skandal bluten, bei dem es um zweifelhafte Zahlungen von mehr als 1,3 Milliarden Euro ging. Von Pierer akzeptierte einen Bußgeldbescheid über 250.000 Euro wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und zahlte an Siemens fünf Millionen Euro Schadenersatz. „Der Druck auf mich und meine Familie war groß. Ich habe mir mit den Zahlungen ein wieder freies Leben und Ruhe erkauft“, räumt er ein.
Von Pierer zieht Bilanz: „Meine 38 Berufsjahre bei Siemens waren eine gute Zeit, wenn auch der Schluss etwas problematisch gewesen ist.“ So erklärte er im April 2007 seinen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG. Das Amt hatte von Pierer nach seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender übernommen.
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