Über zwölf Milliarden Dollar verloren: Der Aufstieg und Fall von Yang Huiyan
Noch vor ihrem 40. Geburtstag war die Immobilienunternehmerin Yang Huiyan die reichste Frau Asiens, doch allein in diesem Jahr hat sie die Hälfte ihres Vermögens verloren.
Für Asiens reichste Frau war 2022 bisher ein desaströses Jahr: Yang Huiyan hat mehr als die Hälfte ihres Vermögens verloren, das sich einst auf knapp 24 Milliarden Dollar belief. Und nun steht auch ihre Immobilienfirma Country Garden vor ernsthaften Liquiditätsproblemen. Das Schicksal der 41-jährigen Unternehmerin steht symbolisch für die drastische Transformation der chinesischen Gesellschaft unter Präsident Xi Jinping. Ihr Schicksal zeigt, dass der „chinesische Traum“ zwar viele Leute in Windeseile zu unvorstellbarem Reichtum geführt hat, doch dass dieser genauso schnell dahinschmelzen kann.
Die im südchinesischen Shunde geborene Yang Huiyan avancierte bereits mit 24 Jahren zu einer der jüngsten Milliardärinnen überhaupt. Ihr Vater, ein ehemals einfacher Arbeitsmigrant, der in den Neunzigerjahren im boomenden Perlflussdelta das Bauunternehmen Country Gardens gegründet hatte, vermachte Yang nur ein Jahr nach ihrem Bachelorabschluss 70 Prozent der Firmenanteile. Das Geschäftsmodell war ebenso simpel wie genial: Es versorgte die wachsende chinesische Mittelschicht mit modernen Appartementwohnungen.
Country Gardens hat vom chinesischen Immobilienboom profitiert
Die Bauprojekte wurden immer ehrgeiziger, die Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen immer lockerer. Und für die Bevölkerung, die im Schnitt bis zu drei Viertel ihres Ersparten anlegt, galten Immobilien als sichere Option. Ihr Preis stieg stetig – auf ein Niveau, dass der Traum vom Wohneigentum in den Ostküstenmetropolen für die breite Mittelschicht längst nicht mehr erreichbar ist. Doch alternative Anlagemöglichkeiten sind praktisch nicht vorhanden: Die Kurse der heimischen Aktienmärkte gleichen einer Achterbahnfahrt.
Aufgrund des Immobilienbooms stand Yang Huiyan 2018 auf ihrem Zenit. Allein in den ersten vier Tagen des Jahres hatten die gestiegenen Aktienkurse ihren Reichtum um zwei Milliarden Dollar vermehrt. Damals war es eine Sensation: In den männerdominierten Reichen-Listen Asiens schoss plötzlich eine Chinesin auf die vorderen Plätze vor.
Regierung geht jetzt gegen hohe Immobilienpreise und Spekulation vor
Doch im China unter Xi Jinping ist diese Auszeichnung ein durchaus zweischneidiges Schwert. „Wenn man oben auf der jährlichen Reichen-Liste drauf ist, steht man bereits in der Schlange, um als Nächster abgeschlachtet zu werden“, sagt Desmond Shum, ein ehemaliger Bauunternehmer, der mittlerweile im Londoner Exil lebt. „Xi Jinping gestaltet sämtliche Bereiche der Gesellschaft um. Für Unternehmer ist dieser Prozess beängstigend“, sagt der 57-Jährige. Tatsächlich propagiert Xi Jinping wenige Ideen so prominent wie seine Vision vom „gemeinsamen Wohlstand“; praktisch keine Rede kommt ohne diesen Slogan aus. Im Bemühen, die chinesische Gesellschaft egalitärer zu gestalten, hat sich Xi im letzten Jahr auch die Immobilienbranche vorgeknöpft: Wohnraum solle in China nicht länger Spekulationsgut und Immobilien wieder für den Mittelstand bezahlbar sein. Unter Xi wurde die Regulierung massiv verstärkt: Bauunternehmen müssen höhere Anforderungen erfüllen, um Bankkredite zu erhalten.
Diese Bedingungen wirken nachvollziehbar. Doch lösten sie eine schmerzhafte Kettenreaktion aus, die nicht nur das weltweit am höchsten verschuldete Unternehmen, Evergrande, zum Straucheln brachte, sondern die gesamte Branche. Viele der Marktführer konnten plötzlich ihre Schulden nicht mehr tilgen.
Schockwellen treffen die Immobilienkonzerne in China
Welche Sprengkraft die Immobilienkrise für die chinesische Gesellschaft hat, zeigte sich im Juli: In mehr als 90 Städten haben Wohnungskäufer ihre Ratenzahlungen gestoppt, weil die Bauarbeiten ihrer halb fertigen Appartementblocks zum Stillstand gekommen sind. Tausende von ihnen haben ihren Frust in den sozialen Netzwerken kundgetan. Für Pekings Parteikader, die Wert auf gesellschaftliche Stabilität legen, stellt die drohende Immobilienblase eine der größten Herausforderungen dar.
Yang Huiyans Unternehmen Country Garden schien zunächst glimpflich durch das Krisenjahr zu kommen. Doch Ende Juli sorgte es ebenfalls für Schockwellen, als es Aktien mit einem 13-prozentigen Rabatt verkaufte, um Kapital zu beschaffen. Ein Teil davon werde benötigt, um ausstehende Schulden zu bedienen. Die Märkte reagierten empfindlich: Im Vergleich zu vor vier Jahren beträgt der Aktienkurs von Country Garden nurmehr ein Siebtel.
Es ist freilich davon auszugehen, dass Yang Huiyan angesichts der Umwälzungen ihre Schäfchen ins Trockene gebracht hat. Laut Medienberichten hat sie vor Jahren die zypriotische Staatsbürgerschaft erworben. Unter Xi Jinping, so scheint es, wissen die Wohlhabenden ihren Wohlstand längst nicht mehr in Sicherheit.
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