So häufig kommen Behandlungsfehler vor
Wenn Patienten durch eine Behandlung im Krankenhaus zu Opfern werden, muss gehandelt werden. Was alles schief laufen kann und wie man dagegen vorgehen kann.
In Deutschlands Krankenhäusern läuft bis zu 720.000 Mal im Jahr etwas schief, davon gehen Gesundheitssachverständige im Regierungsauftrag aus. Ausschlaggebend ist der Fall einer 32-Jährigen, die sechs Monate nach einem Kaiserschnitt Schmerzen im Bauch verspürte. Daraufhin wurde sie mit Verdacht auf Reizdarm, Narbenschmerzen und anderen Diagnosen behandelt. Nach drei Monaten Psychotherapie ging es der Frau immer noch nicht besser. Zwei Jahre später wurde schließlich die Ursache für die Schmerzen entdeckt: Um einen Fremdkörper hatte sich Gewebe in der Größe eines Kinderkopfs gebildet. Beim Kaiserschnitt waren Reste einer Mullkompresse vergessen worden.
Was kann im OP schief laufen?
Ein typischer Fall ist, wenn Operationsmaterial im Körper des Patienten vergessen wird, so das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS). Dies passiert bis zu 3.000 Mal im Jahr. Oftmals klagen Patienten nach einer OP über Schmerzen. Dies kann daher kommen, dass sich Gewebe um den Fremdkörper bildet.
Kann man Ärzte deswegen als schlampig bezeichnen?
Schlamperein kommen wegen des Stresses im OP zustande. Bei Notfällen, Ablaufsänderungen während der OP oder Pflegerwechsel können dieses Risiko erhöhen. Helfen können Einhalten von Zählkontrollen von Tupfern, Kompressen und anderen Utensilien sowie standardmäßiges, gemeinsames Innehalten und Überlegen des gesamten OP-Teams vor und nach der Operation.
Welche Fehler wiederholen sich am häufigsten?
Es kommt öfters vor, dass Chirurgen die Seiten der Patienten verwechseln, auf denen sie operiert werden. Medikamente können falsch oder auch in falscher Form verabreicht werden. Blutkonserven mit der falschen Blutgruppe des Patienten können angeschlossen werden. Oder Patienten ziehen sich auf der Krankenstation gefährliche Keime zu.
Wie häufig kommen Fehler?
"Das Ziel repräsentativer Daten ist nicht erfüllt", schreibt die APS-Vorsitzende Hedwig Francois-Kettner Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der Jahrestagung des gemeinnützigen Bündnisses am Donnerstag.
Dass mit 360.000 bis 720.000 vermeidbaren unerwünschten Ereignissen in deutschen Kliniken gerechnet wird, ist eine Einschätzung von den offiziellen Gesundheitssachverständigen im Regierungsauftrag. In den meisten Fällen kommen die Betroffenen glimpflich davon.
Ein AOK-Report ging von rund 19.000 Toten durch Behandlungsfehler in Kliniken pro Jahr aus. Dieses Ergebnis wurde von der Deutschen Krankenhausgesellschaft als völlig übertrieben kritisiert.
Wie will die Bundesregierung den Krankenhäusern helfen?
Gesundheitsminister Gröhe versprach dem Aktionsbündnis weitere Anstrengungen bei Transparenz, Information und Aufklärung. Außerdem verwies er auf ein bereits angekündigtes Programm gegen die Klinikinfektionen. Darunter fällt auch eine Pflicht zur Meldung von Keimen. Insgesamt will die Koalition Fortschritte bei der Qualität von Kliniken machen, ein neues Institut soll sich darum kümmern.
Was fordern Aktivisten für Krankenhäuser?
Aktivisten fordern mehr Personal in den Kliniken. Damit geht weniger Gewinn-Orientierung der Krankenhäuser einher. Aber dafür mehr Daten zu Fehlern, mehr Achtgeben auf gute Abläufe in den verschiedenen Stationen und mehr Personal und weniger Stress für den einzelnen Mitarbeiter.
Zuletzt hatte ein von der Gewerkschaft Verdi organisierter nächtlicher Blitzbesuch in Hunderten Kliniken Bedenkliches gezeigt: Auf mehr als der Hälfte aller Stationen (rund 56 Prozent) muss demnach eine Fachkraft alleine durchschnittlich 25 Patienten betreuen.
Wie sieht die Situation in Arztpraxen aus?
Hierzu gibt es derzeit wenig Erkenntnisse. Die Techniker Krankenkasse leitet anonyme Meldungen aus dem Internet von Dingen, die schief laufen, weiter. So dass andere Ärzte davon lernen können. Der TK-Aufruf an die Mediziner lautet: "Erkennen Sie Fehlerquellen bei Ihrer Arbeit, berichten Sie von Ereignissen aus Ihrer Praxis." AZ/dpa
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