Flexitarier: Hoffnung der Lebensmittelindustrie
Noch nie war vegetarische Ernährung so populär. Und immer mehr rücken die Gelegenheitsvegetarier, die "Flexitarier", in den Mittelpunkt.
Schnitzel aus Sojabohnen, Bolognesesoße ohne Hackfleisch und Tofu-Würstchen: Vegetarische Fertiggerichte haben ihr Exil im Bioladen verlassen und stehen Seite an Seite mit konventionellen Produkten beim Lebensmittelhändler um die Ecke. Doch nicht nur reine Vegetarier freuen sich über das zunehmende Angebot, auch dem Flexitarier kommt das Angebot gelegen.
Unternehmen setzten auf die Flexitarier
"Die Nachfrage nach vegetarischen Lebensmitteln hat sich komplett verändert. Es kaufen nicht nur Leute mit hohem Einkommen. Das ist ein Querschnitt der Gesellschaft", sagt Denise Klug, Analystin beim Handels-Informationsdienst Planet Retail. Fleischfreie, fertige und halbfertige Gerichte sind perfekt für den gesundheitsbewussten Konsumenten mit wenig Zeit: den Flexitarier. Das hat auch die Lebensmittelbranche erkannt. Allein der Umsatz solcher Fertiggerichte, wie Falafel, Soja-Schnitzel oder auch Risotto, stieg nach Angaben des Vegetarierbundes Deutschland (Vebu) vom ersten Halbjahr 2013 auf das erste Halbjahr 2014 um 36 Prozent auf nunmehr 50,4 Millionen Euro.
"Das Leben der Vegetarier wird dadurch leichter. Und die neue Platzierung bringt auch Leute dazu zuzugreifen, die keine reinen Vegetarier sind." In die gleiche Richtung geht die Einschätzung von Analystin Klug. Ihrer Beobachtung nach versucht der Handel, die Käufergruppe der Gelegenheitsvegetarier zu erschließen. "Es werden gezielt Menschen ins Boot geholt, die Flexitarier sind."
12 Prozent der Deutschen ernähren sich fleischfrei
Hinter dem Fachbegriff Flexitarier verbirgt sich ein großes Potential für den Lebensmittelhandel: Nach einer repräsentativen Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen vom Sommer 2013 machen diese Gelegenheitsvegetarier 12 Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Es sind Verbraucher, die sich sehr bewusst ernähren. Nur zu drei bis vier von 21 Mahlzeiten in der Woche essen sie ein wenig und dann sehr ausgewähltes Fleisch oder Wurst. Zudem greifen Flexitarier häufig zu den fleischlosen Imitaten von fleischhaltigen Klassikern, sowie zu Halbfertiggerichten. Insgesamt ernährt sich laut der Studie ein Viertel (24,8 Prozent) der Deutschen vegan, vegetarisch, gehört zu den Teilzeit-Vegetariern (Flexitarier) oder ist ständig bemüht, den Fleischkonsum zu senken.
Trend 2015: Vegane Ernährung
Die Aussagen des Handels deuten auf deutliches Wachstum hin: "Das vegetarische Sortiment wird gut angenommen. Insgesamt verzeichnen wir eine steigende Nachfrage", erklärte Aldi-Süd auf Anfrage, ohne Zahlen zu nennen. Aldi-Nord prüft eine Ausweitung des Sortimentes. "Wir beobachten den Markt und die Trends rund um die vegetarische und vegane Ernährungsweise sehr genau," betont eine Sprecherin. Bei Edeka wird eine stetig wachsende Nachfrage nach vegetarischen und veganen Produkten beobachtet: "Insbesondere in den Ballungsgebieten ist die Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen." Daher plant Edeka, das Angebot weiter auszubauen. "Der Trend zu veganen Produkten wird sich auch in 2015 fortsetzen. Wir sehen, dass die Aktivitäten der Hersteller klar in diese Richtung gehen," betont Fabian Ganz, Vertriebsleiter beim Marktforschungsunternehmen für Bio-Fachhandel und Reformwarenhandel, Biovista. Zum Sommer entschieden sich große Lebensmittelanbieter zudem, ihr Sortiment in dem Bereich aufzustocken. Erwartet wird ein Jahresumsatz, der die 100-Millionen-Grenze knackt.
Doch wer kann es sich eigentlich finanziell leisten, vegetarisch zu leben und dazu noch teures Bio-Fleich zu essen? Vegetarisches Essen muss nicht zwangsweise teuer sein, denn Gemüse und Spaghetti sind schließlich auch fleischfrei - da freut sich auch der Flexitarier. dpa/jk
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