Ist Dr. Frankenstein jetzt Engländer?
Was hierzulande nicht weiter ins Gewicht fällt, wird im Land der Autorin Mary Wollstonecraft-Shelley als durchaus bedeutungsvoll wahrgenommen: Es ist kein Zufall, dass "Frankenstein" einen deutschen Namen trägt. Er verkörpert den verirrten mitteleuropäischen Wissenschaftler, eine Art grotesken Faust.
Er ist in einer besonders widerlichen Form tatsächlich in Deutschland aufgetaucht, nämlich in Gestalt jener sadistisch experimentierenden Mediziner, die in den Konzentrationslagern und Behindertenanstalten der Nazis ihr Unwesen trieben.
Heute ist Mary Shelleys "Frankenstein" eine weltweit in Erscheinung tretende Gestalt. In Deutschland hält man sich wegen der skandalösen Geschichte zurück, wenn die Wissenschaft die Grenzen des ethisch Vertretbaren berührt. Anderswo hat man, dank einer leichteren Geschichte, weniger Hemmungen. So geschieht es, dass Dr. Frankenstein heute eher in England als in Deutschland anzutreffen ist.
Sind die britischen Forscher, die jetzt einen Kuh-Mensch-Embryo zusammengebraut haben, solche Frankensteine? Zumindest muss die Frage gestellt werden. Eine Grenze ist zweifellos erreicht und möglicherweise überschritten, wenn man menschliche und tierische Zellen zusammenmischt.
Man macht es natürlich nicht aus kaltem Forscherdrang. Man kann gute Gründe anführen. Die gemischten Stammzellen sollen eines Tages helfen, Krankheiten zu heilen, die heute noch unheilbar, tödlich oder zumindest schwer beeinträchtigend sind. Und für dieses feine Ziel darf man viel wagen. Aber ganz ohne Güterabwägung geht es selbst bei anscheinend lebenswichtigen wissenschaftlichen Wagnissen nicht. Im Fall der Mensch-Kuh-Embryonen ist sie auf jeden Fall grenzwertig.
Keiner weiß, ob und wie verlässlich all das Klonen und Herumbasteln mit embryonalen Stammzellen am Ende zu den erhofften Heilungserfolgen führt. Die Aussichten sind eher flau. Aber das ist oft so am Anfang einer Forschungsstraße.
Wichtiger noch ist die Frage, ob es denn wirklich nicht ohne diese furchtbar grenzwertigen Manipulationen geht. Muss man Kuh und Mensch zusammenpfropfen? Muss man eine Wissenschaft betreiben, die mit menschlichen Wegwerf-Embryonen arbeitet?
Noch scheint es keine überzeugende Alternative zu geben. Noch kann man der Frage nicht ausweichen, ob eine ungewisse Hoffnung auf Heilungserfolge einen so unheimlichen Wissenschaftszweig begründen kann. Wir Deutschen tun in jedem Fall gut daran, uns da zurückzuhalten. Man muss nicht auf jedem Forschungsfeld ganz vorne marschieren. Umso mehr würde uns ein Durchbruch bei der Suche nach einem menschlicheren Forschungsverfahren schmücken.
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