Personalisierte Ernährung: Gesund ist für jeden anders
Wie wird unsere Ernährung in Zukunft aussehen? Wird die „personalisierte Ernährung“ bald Realität werden? Ein Experte für Nutrigenomik ist zuversichtlich.
Demnächst beginnt in Freising-Weihenstephan die mittlerweile zehnte „Nugoweek“, eine Fachtagung, die sich mit zahlreichen Aspekten der Nutrigenomik-Forschung befasst. In der Nutrigenomik geht es um die wechselseitige Beziehung zwischen Nährstoffen und Genen. So beeinflussen unsere Erbanlagen unsere Reaktion auf Nährstoffe. In der Nutrigenomik geht es darum, die komplexen Interaktionen zu verstehen und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln, die auf das individuelle genetische Profil abgestimmt sind, um Krankheiten vorzubeugen und langfristige Gesundheit zu erreichen.
Ein Beispiel dafür, wie Gene die Antwort des Körpers auf Lebensmittel steuern, ist die Laktoseintoleranz. Bei Betroffenen ist das Gen für das Enzym Laktase „ausgeschaltet“ – der Körper kann es nicht produzieren und Milchzucker daher nicht verdauen.
Was ist von dieser Forschung zu erwarten, wird die „personalisierte Ernährung“ bald Realität werden? Wir sprachen darüber mit Professor Andreas Pfeiffer von der Berliner Charité, der bei der Tagung eine Einführung in die Nutrigenomik geben wird. Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke leitet er die Abteilung Klinische Ernährung.
Wie erklären Sie Laien die Nutrigenomik?
Pfeiffer: Ich sage, wenn sie wissen wollen, ob sie problemlos Butter essen können oder nicht, müssen sie etwas über Nutrigenomik lernen. Denn es gibt Leute, bei denen steigt der Cholesterinspiegel durch Butterkonsum an, bei anderen tut er das nicht. Es geht also um den Einfluss der Genetik darauf, wie wir auf Nahrungsmittel reagieren. Wir wissen noch nicht viel darüber, aber wir wissen, dass die Ernährung als Ganzes eine große Rolle spielt für die Gesundheit. Im Moment gibt es bei den Ernährungsempfehlungen noch keine Spezifizierung, wir sagen allen Leuten das Gleiche: dass sie mehr Obst und Gemüse essen sollen und so fort. Es wäre interessant, individuellere Empfehlungen geben zu können.
Könnte es sein, dass das, was wir heute allgemein als gesunde Ernährung propagieren, in Wirklichkeit also gar nicht für jeden gesund ist?
Pfeiffer: Wir haben zu dieser Frage gerade eine spannende Studie gemacht, die NUGAT-Studie, und dabei 46 eineiige und zweieiige Zwillingspaare hinsichtlich ihrer genetischen Antworten auf Nahrungsmittel untersucht. Sie bekamen zunächst eine Kohlenhydrat-betonte, fettarme Ernährung. Anschließend wurde der Fettanteil deutlich erhöht, sie bekamen eine Kost mit 45 Prozent Fett und reichlich gesättigten Fetten. Dann haben wir geschaut, was da passiert, und es waren Leute dabei, die auf die hochfette Ernährung, anders als man erwarten würde, mit einem Anstieg des „guten“ HDL-Cholesterinspiegels im Blut und einem Abfall des „schlechten“ LDL-Cholesterinspiegels reagiert haben. Wir haben außerdem gesehen, dass es mit der Zeit eine deutliche Anpassung des Körpers an die Nahrung gibt, die wir zu uns nehmen.
Könnte man eines Tages einfach aufgrund der individuellen Gen-Ausstattung Ernährungsberatung machen?
Pfeiffer: Nein. Wir programmieren unseren Stoffwechsel auf nicht vererbtem Wege, durch unser Verhalten; das ist die epigenetische Ebene. Da passiert eine ganze Menge. Daneben gibt es die genetische Schiene, also die erbliche Veranlagung, aber die hat einen relativ kleinen Einfluss. Wir kennen zwar hunderte Gene, die zum Beispiel für das Körpergewicht oder das Diabetesrisiko eine Rolle spielen. Aber wenn wir diese Gene bestimmen, können wir damit nur zehn Prozent des tatsächlichen Erkrankungsrisikos vorhersagen. Das ist enttäuschend. Die Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt sind sehr stark, und wir verstehen sie noch nicht so gut. Wir müssen versuchen, die Genetik noch genauer zu verstehen, die Epigenetik kommt hinzu. Die Nutrigenomik ist ein großer und wichtiger Teilaspekt.
Die Wechselwirkungen und Zusammenhänge sind hochkomplex, ist da die Erwartung tatsächlich realistisch, eines Tages jedem Einzelnen individuelle Ernährungsempfehlungen geben zu können?
Pfeiffer: Wir haben momentan einen ungeheuren Fortschritt bei den Techniken, mit denen wir arbeiten, sodass wir ganze Netzwerke von Genen erkennen können. Früher hat man ein einzelnes Gen angeschaut, jetzt können wir ganze Signalwege erkennen und auch noch relativ kleine Genantworten identifizieren. Wir versuchen heute, den Stoffwechsel im Gesamten abzubilden. Um die Daten zu verstehen, dazu brauchen wir allerdings die Bioinformatik – und die ist leider noch nicht so weit entwickelt, dass wir die ungeheuren Datenmengen, die wir erzeugen, wirklich auswerten können. Wir werden das aber mit der Zeit besser und besser können, auch wenn der Weg der Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis natürlich weit ist.
Welche Empfehlungen wird man Ihrer Meinung nach schon bald individuell geben können?
Pfeiffer: Ich denke, eine Reihe einfacherer Informationen, wie etwa, wer viel ungesättigte Fettsäuren verzehren sollte, weil dadurch sein Risiko für Diabetes, Fettleber und Probleme am Gefäßsystem sinkt. Antworten auf solche Fragen wird man relativ bald geben können. Oder auch: Welches sind – genetisch begründet – die besten Ernährungsstrategien, um einen Prädiabetes, also eine Vorstufe von Diabetes, zu verhindern? Ich denke, das wird man bald wissen. Ich bin da recht zuversichtlich.
Welche Frage in der Forschung ist für Sie zur Zeit besonders spannend?
Pfeiffer: Die Frage, wie man eine personalisierte Ernährung machen kann! Wir versuchen zurzeit, Menschen anhand eines einfachen Datensatzes Informationen zu geben, die ihnen helfen, langfristig gesund zu bleiben. Wir sind zwar noch nicht ganz da, aber das ist das, wo wir als Nächstes hinwollen. Wir wollen Fragen beantworten wie: Wer profitiert wirklich von einer Ernährung mit niedrigem glykämischem Index (GLYX)? So etwas kann man jetzt schon mit Tests erfassen.
Könnte die Nutrigenomik denn Ihrer Ansicht nach eines Tages auch das Abnehmen erleichtern?
Pfeiffer: Auf diesem Gebiet sind schon viele tätig, und das wird eines Tages zweifellos so sein. Unser Stoffwechsel wird reguliert durch Nahrung, vor allem im Gehirn, gesteuert durch die Nahrungskomponenten. Welche Kombination für wen – je nach genetischer Ausstattung – günstig ist, proteinreich oder proteinarm, fettreich oder fettarm, kohlenhydratreich oder kohlenhydratarm, das wird die Aussage der Zukunft sein.
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