Uhu Amadeus fliegt nicht ohne Grund
Der Aichacher Mike Couball ist Falkner. Auf seinem Grundstück hält er zwei Uhus und einen Turmfalken, die er regelmäßig fliegen lässt. Ein Hobby, das viel Geduld erfordert.
„Amadeus! – Amadeus, komm her!“ Mike Couball ruft seinem Uhu. Der will heute nicht so wie der Falkner, der mit ausgestrecktem Arm auf einem Kiesweg vor seinem Aichacher Grundstück steht. Das Tier hat sich auf dem Kamin von Couballs Nachbarhaus niedergelassen und denkt nicht einmal daran, auf die mit einem Lederhandschuh geschützte Hand zu fliegen. Trotz des toten Kükens dass ihm sein Herrchen anbietet.
Amadeus ist zwei Jahre alt. Couball hat den Uhu von Hand aufgezogen, der Vogel ist an ihn gewöhnt. An Besucher, die neben dem Falkner stehen und Block und Kamera zücken allerdings weniger. „Außerdem musste ich ihn heute schon einmal einfangen, das nimmt er mir jetzt übel“, erklärt Couball. Er habe das Geschüh, also den Lederriemen, der an den Füßen des Vogels befestigt ist, wechseln müssen. Wenn Amadeus einmal beleidigt ist, könne es dauern, bis er gehorcht.
Die Küken genügen normalerweise als Anreiz. Um einen Uhu oder auch einen anderen Greifvogel fliegen zu lassen, ist es wichtig, dass das Tier Hunger hat, erklärt Couball. Falkner wiegen ihre Tiere und kennen das perfekte Gewicht, das gewährleisten soll, dass die Vögel auch wieder zurückfliegen. Dass Amadeus Hunger hat, ist nicht zu überhören. Mehrfach lässt er einen Schrei los, der an quengelnde Vogelküken im Nest erinnert. Genau aus dieser Entwicklungsphase kommt auch das Bettelverhalten, oder „Lahnen“, wie es in der Fachsprache heißt. Normalerweise hören Vögel damit auf, wenn sie sich selbst um ihre Nahrungssuche kümmern müssen. Da Amadeus sein Fressen weiterhin von Ziehvater Couball bekommt, hat er das eigentlich kindliche Verhalten nicht abgelegt.
Amadeus breitet die Flügel aus. Einen guten Meter Spannweite hat der Uhu, ein einziger Flügelschlag, dann segelt er. Komplett lautlos – wäre an seinem Bein nicht eine kleine Glocke befestigt, die beim Losfliegen erklingt. „Sonst würde ich ihn gar nicht hören“, sagt Couball. Er hat heute kein Glück. Amadeus Ziel ist wieder nicht der Lederhandschuh, sondern ein Baum in der Nähe. Mittlerweile kreisen einige Krähen um den Uhu, der in ihr Gebiet eingedrungen ist.
Couball arbeitet eigentlich in der Medizintechnik. Die Falknerei ist ein Hobby, in Deutschland gibt es nur wenige, die davon Leben können. Als Jugendlicher begann er sich für die Jagd, auch mit Greifvögeln, zu interessieren. „Nach dem Jagdschein war für mich klar, dass ich den Falknerschein auch noch mache“ – Vor guten vier Jahren war es soweit. Heute hat Couball neben Amadeus noch einen Uhu, Julia, und einen Turmfalken, Filippo.
Die Haltung der Tiere kostet viel Zeit und Geld. „Einmal zum Tierarzt, schon sind 500 Euro weg“, sagt Couball. Wenn das Wetter passt, lässt er die Greifvögel fliegen. Zu Jagdzwecken setzt er sie nicht ein. Er genießt es, den majestätischen Tieren zuzusehen. Und manchmal tritt er mit einem der Vögel bei Veranstaltungen auf. Wer vermutet, dass die Vögel darunter leiden, nicht immer frei fliegen zu können liegt falsch, erklärt Couball. „Kein Greifvogel fliegt einfach aus Spaß, sondern nur zur Jagd. Das Fliegen braucht viel Energie.“
Wie weit die Tiere aber fliegen können, wenn sie nur wollen, weiß Couball aus Erfahrung: Sein Turmfalke Filippo kam bei einem der ersten Flüge nicht wie geplant zurück. Da er den Vogel noch nicht lange hatte, ließ er ihn mit einem Peilsender fliegen, um ihn in so einem Notfall wiederzufinden. Filippo ist ein relativ kleiner Greifvogel – an seinem Bein kann auch nur ein kleiner Sender befestigt werden. Mit gerade einmal 20 Kilometern Reichweite.
„20 Kilometer sind für den fast nichts“, sagt Couball. Deshalb sei er damals sofort ins Auto gestiegen und seinem Vogel hinterhergefahren. Bis er seinen Vogel wieder einfing, vergingen etwa 24 Stunden. Nachts setzt sich der Falke auf einen Baum – Falken fliegen in der Dunkelheit nicht. Deshalb konnte Couball zumindest zum Schlafen heimfahren. Insgesamt sei er etwa 600 Kilometer mit dem Auto unterwegs gewesen, bis er Filippo bei Dinkelscherben auf seine Faust locken konnte.
Amadeus könne er häufiger fliegen lassen, bei ihm bestehe das Risiko, dass er einfach wegfliegt nicht, sagt der Falkner. Der Uhu sitzt in seinem Baum, von wütenden Krähen umkreist. Doch einen echten Angriff wagen sie nicht.
„Wenn er auf einen zufliegt und auf der Faust landet, wenn diese Augen auf einen zukommen, das ist ein tolles Gefühl“, schwärmt Couball. Doch heute kommt es nicht mehr dazu. Mit einem Küken gelingt es dem Falkner, Amadeus wieder in den eigenen Garten zu locken.
Die Tür zu seiner Voliere steht offen. Wenn Amadeus genug hat, fliegt er von selbst wieder hinein, erklärt Mike Couball. Vielleicht wartet der Uhu auch nur, bis der Fremde mit dem Block und der Kamera sein Revier endlich wieder verlassen hat.
Die Diskussion ist geschlossen.