Streit um Impfpflicht: Halten Pflegekräfte den Kopf für die Gesellschaft hin?
So blicken Pflegeeinrichtungen aus Aichach-Friedberg, in denen die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, auf das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht.
Die allgemeine Impfpflicht ist am Donnerstag krachend im Deutschen Bundestag gescheitert. Damit bleibt es bei der jetzigen Regelung: Wer in Pflege- und Gesundheitsberufen arbeitet, muss sich impfen lassen, die anderen nicht. Schon an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gab es aus den betroffenen Einrichtungen im Landkreis Aichach-Friedberg Kritik. Dass die allgemeine Impfpflicht nun doch nicht kommt, bezeichnet etwa Hans Eberle, Einrichtungsleiter beim Heilig-Geist-Spital in Aichach, als "unfaire Ungleichbehandlung".
Einrichtungen hinterfragen einrichtungsbezogene Impfpflicht
Nicht überall führt die gescheiterte Impfpflicht aber tatsächlich auch zu Diskussionen in den Einrichtungen, etwa im Heilig-Geist-Spital. Heimleiter Eberle selbst empfindet es als gut, dass es nicht zu einer allgemeinen Impfpflicht gekommen ist: "Ich bin der Meinung, jeder sollte selbst darüber entscheiden dürfen." Mit "jeder" meint Eberle aber auch die Pflegekräfte, die längst einer Impfpflicht unterliegen. In der Einrichtung gebe es deshalb weiterhin Diskussionen, auch wenn sich die Situation wieder etwas beruhigt habe. "Ob weiter Ruhe einkehrt, kommt darauf an, wie es bei der Umsetzung weitergeht." Konkret: ob das Gesundheitsamt tatsächlich Tätigkeitsverbote ausspricht oder nicht. Eberle glaubt, dass mit der Abkehr von der allgemeinen Impfpflicht auch die Beurteilung einzelner ungeimpfter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun anders verlaufe.
Die Caritas hatte im Vorfeld die Hoffnung geäußert, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückgenommen werde, wenn keine allgemeine Impfpflicht kommt. "Viele nehmen die einrichtungsbezogene Impfpflicht als Sanktion wahr", erklärte Ylv Hundeck, Bereichsleiterin für Personal und Recht bei der Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbh (CAB), die in Mering zwei Seniorenzentren betreibt, vor einigen Tagen dieser Redaktion. Zu diesem Zeitpunkt war die allgemeine Impfpflicht noch gar nicht komplett vom Tisch, es hatte sich aber bereits angedeutet. Die Beschäftigten würden für etwas verantwortlich gemacht, für das alle verantwortlich seien, so Hundeck.
Bedeutet die gescheiterte Impfpflicht also, dass die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegewesen nun den Kopf, respektive den Arm für die Gesellschaft hinhalten müssen? Klaus Ponkratz, Leiter des Pfarrer-Knaus-Heims in Kühbach sieht das nicht so. Er will das Thema nicht ideologisiert betrachten, sondern lieber entspannter sehen. Seine Haltung ist dennoch klar: "Jeder kann sich selbst schützen mit einer Impfung. Wenn er's nicht tut, ist es doch sein Problem."
Pflegeeinrichtungen kämpfen mit anderen Problemen
Die meisten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich impfen lassen. Fast alle übrigen Ungeimpften waren inzwischen infiziert. "Die sind aus der Nummer raus", so Ponkratz. Jedenfalls vorübergehend, solange ihr Genesenenstatus gilt. Nur eine Person ist weder geimpft noch genesen. Doch auch die gehe weiterhin täglich zur Arbeit. Das Gesundheitsamt habe bislang kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner sieht der Heimleiter weitgehend geschützt. Alle seien dreifach geimpft, aber alle hätten inzwischen auch Corona gehabt. Wenn es im Herbst einen modifizierten Impfstoff gebe, der besser schütze, dann seien sie sicher bereit, sich erneut impfen zu lassen, ist Ponkratz überzeugt.
-
Ausbleibende Impfpflicht: Krankenhausgesellschaft enttäuscht
-
Kanzler schließt neuen Anlauf zu Corona-Impfpflicht aus
-
Holetschek hofft weiter auf Corona-Impfpflicht
-
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: NRW-Gesundheitsminister hält Ende für unausweichlich
Im Karl-Sommer-Stift in Friedberg ist die Corona-Impfung derzeit kaum noch ein Diskussionsthema. "Bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind die Diskussionen vorbei", sagt Leiter Jakob Alaskiewitsch. Es sei für die Beschäftigten der Einrichtung inzwischen Teil des Berufsethos geworden, sich impfen zu lassen. Auch bei Neueinstellungen gebe es keine Diskussionen. Hinter der Pflegeeinrichtung liegen nach einem Corona-Ausbruch schwere Wochen. Aktuell sind alle Bewohnerinnen und Bewohner negativ. Die aktuelle Entscheidung des Bundestags gegen eine allgemeine Impfpflicht sei noch gar kein Thema gewesen: "Wir sind weiterhin so mit dem Geschehen im Haus beschäftigt, dass wir das noch gar nicht so realisiert haben." Grundsätzlich habe das Hin und Her der Politik aber natürlich zu Unsicherheiten geführt.
Statt der Diskussion um die Impfpflicht gebe es in den Heimen, "andere Dinge, die uns bewegen", so Klaus Ponkratz aus Kühbach. Etwa der Mangel an Pflegepersonal, das in Kühbach zu seiner Erleichterung noch ausreichend vorhanden ist, sei die viel größere Herausforderung. Ihn bewegt die Frage: "Wie kriegen wir es hin, genügend Personal zu bekommen und es anständig zu bezahlen?" Allein in "seinem" Heim gab es am Freitagvormittag schon wieder drei Anrufe von Angehörigen, die Kurzzeitpflegeplätze suchen. Die seien zum Teil richtiggehend verzweifelt, so Ponkratz. "Das ist das größte Problem", betont er.
Die Diskussion ist geschlossen.