Eine Fachfrau, auch wenn sie nicht hören kann
Nadine Schwärzer aus Rehling ist schwerbehindert, hat Bürokauffrau gelernt und jetzt eine feste Stelle in Odelzhausen
Odelzhausen/Rehling Wer ihr ins Gesicht schaut, laut und deutlich redet, den kann Nadine Schwärzer (20) aus Rehling gut verstehen. Doch steigt der Geräuschpegel, versteht die junge Frau kaum etwas. Als Baby hatte sie eine Gehirnhautentzündung und war danach gehörlos. Mittlerweile trägt sie ein Cochlearimplantat, eine Art Gehörprothese, und kann fast alles hören. Dennoch gilt die junge Frau als schwerbehindert. Sie hat einen Grad der Behinderung von 100.
Die anfänglichen Zweifel sind längst gewichen
Aber Walter Krist, Geschäftsführer der Firma Komplan GmbH Druck und digitale Medien in Odelzhausen, hat dies laut Pressemitteilung nicht davon abgehalten, die junge Frau zu beschäftigten. Auch wenn er zugibt, dass er anfangs ein wenig Zweifel hatte. „Einer meiner Mitarbeiter ist in Rente gegangen und ich habe eine Bürokauffrau gesucht. Die Eltern von Nadine Schwärzer schlugen mir vor, ihre Tochter zu testen und dafür bei der Arbeitsagentur eine Probebeschäftigung zu beantragen. Wir konnten sie dann drei Monate beschäftigen und sehen, wie es läuft. Meine anfängliche Skepsis ist positiven Erfahrungen gewichen. Sie fügt sich gut in die Gemeinschaft ein und wird sprachlich immer offener und selbstsicherer im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten. Seit dem 1. Juni ist sie nun unbefristet bei uns eingestellt.“ Krist sagt aber auch: „Ohne finanzielle Hilfe der Arbeitsagentur hätte ich die Einstellung nicht gewagt.“
Dafür musste der Arbeitsablauf etwas geändert werden. „Telefonieren kann ich nicht. Die Stimme wird durch das Telefon so verzerrt, dass ich kaum etwas verstehe.“ Die Auftragsannahme erledigen deshalb die Kollegen. Dafür schreibt die 20-Jährige Frachtpapiere der Speditionen sowie Lieferscheine, erstellt Rechnungen und führt Produktionsaufträge der Digitaldruck-Abteilung aus. „Frau Schwärzer hat unglaublich schnell von ihrem Vorgänger gelernt und entwickelt sich immer weiter“, sagt Krist heute. „Sie packt, soweit es geht, überall mit an. In unserem kleinen Betrieb mit 19 Leuten geht das nicht anders.“
Auch Nadine Schwärzer macht die Arbeit Spaß: „Ich muss viele unterschiedliche Aufgaben erledigen. Es wird nie langweilig. Ständig lerne ich dazu.“ Sie ist froh, relativ zeitnah nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau die Stelle bei Komplan bekommen zu haben. „Die anderen, die mit mir die Ausbildung gemacht haben, arbeiten nicht in ihrem erlernten Beruf. Ich dagegen kann mein Wissen anwenden.“
Roland Fürst, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Augsburg, kann nicht verstehen, dass Firmen in Zeiten des Fachkräftemangels, das Potenzial Schwerbehinderter nicht nutzen: „65 Prozent von ihnen haben eine abgeschlossene betriebliche oder schulische Ausbildung und sechs Prozent einen akademischen Abschluss.“ Die Agentur unterstütze die Einstellung Schwerbehinderter finanziell. „Gerade durch die Probebeschäftigung können Arbeitgeber eine schwerbehinderte Person ausführlich testen. Wir erstatten dafür drei Monate den Lohn. So wie bei Frau Schwärzer.“
Die fährt jeden Morgen mit einem Lächeln im Gesicht im eigenen Auto von Rehling nach Odelzhausen und freut sich über ihre Arbeitsstelle. „Mit meinem Geld kann ich dann meine Hobbys wie Reiten, Ski fahren oder Shoppen gehen finanzieren.“ Eine junge Frau wie andere auch. (AN)
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