Einen anderen Menschen vor dem Tode bewahren
Meitingen Ob er wirklich ein Leben gerettet hat, erfährt Thomas Liebl erst Mitte März. Doch immerhin darf sich der 37-jährige Meitinger jetzt schon zugutehalten, dass er alles Menschenmögliche getan hat, um einen ihm völlig unbekannten 63-jährigen Deutschen vor dem Tod zu bewahren. Thomas Liebl ist der erste Stammzellspender, der aus der Meitinger Typisierungsaktion vom April 2008 hervorgegangen ist. Damals hatten sich 933 Menschen Blut abnehmen lassen und damit ihre Bereitschaft bekundet, Knochenmark zu spenden.
Bereits im Sommer letzten Jahres erfuhr Thomas Liebl, dass seine genetischen Merkmale mit denen eines Erkrankten übereinstimmen. Es folgten weitere Blutuntersuchungen und eine sogenannte Feintypisierung. Sie bestätigte, dass er der optimale Spender für den Leukämiepatienten wäre. Bei einem Gesundheitscheck wurde schließlich abgeklärt, ob bei Liebl auch wirklich nichts gegen die Knochenmarkspende spricht.
Alles passte - und ein letztes Mal kam die Frage, ob er tatsächlich spenden wolle. "Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt kann man noch absagen", so Liebl, "aber dann erhält der Patient die Chemotherapie und wird auf das fremde Knochenmark vorbereitet. Wenn man jetzt einen Rückzieher machen würde, hätte das für den Kranken verheerende Folgen." Aber für den gebürtigen Meitinger, der bei SGL Carbon als Schichtführer in der Bremsscheiben-Herstellung arbeitet und für die Knochenmarkspende von der Firma drei Tage freigestellt wurde, war das keine Frage: "Wenn ich die letzte Hoffnung für einen Menschen bin und dann nicht bereitstehen würde, hätte ich ein schlechtes Gewissen."
Im Dezember wurde es ernst: Ein Terminplan wurde aufgestellt, ab wann sich Thomas Liebl selbst die Spritzen verabreichen sollte. Sie enthalten einen Botenstoff, den der Körper normalerweise selbst produziert, um die Abwehr von Infektionen anzukurbeln. Er bewirkt eine vermehrte Ausschüttung von Knochenmark-Stammzellen ins Blut, wie Dr. Carlheinz Müller, Leiter des Zentralen Knochenmarkspender Registers (ZKRD) in Ulm, erläutert.
Als Nebenwirkungen treten oft Knochen- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Müdigkeit auf. Thomas Liebl fand "das Gliederreißen schon etwas unangenehm" und war deshalb sogar einen Tag krankgeschrieben, meint aber im Rückblick auf die fünf Tage, an denen er sich die Spritzen verabreichte: "So wild war es auch wieder nicht."
Das Schlimmste sei für ihn gewesen, bei der Entnahme im Klinikum in Ulm fünf Stunden still im Stuhl sitzen zu müssen, bis genug Stammzellen aus seinem Blut gefiltert waren. "Dabei wird einem aus dem einen Arm das Blut entnommen, dann gefiltert und über die Vene im anderen Arm wieder zugeführt." Man könne sich kaum bewegen, das sei schon recht hart. Er hätte sich die Zeit zwar mit Fernsehen vertreiben können, "doch da lief eine unmögliche Soap, da habe ich gar nicht hinschauen können."
Nach hundert Tagen weiß der Spender, ob er helfen konnte
Kaum waren die Nadeln entfernt, wurden die lebensrettenden Stammzellen auch schon zur Klinik des Patienten transportiert. Ab da dauert es hundert Tage - also bis Mitte März -, bis sich zeigt, ob die Prozedur beim Kranken angeschlagen hat. Thomas Liebl wird zwar darüber unterrichtet, wie die Sache ausgegangen ist, erfährt aber nicht den Namen "seines" Patienten.
Er selbst muss in dieser Zeit ebenfalls noch zweimal den Arzt aufsuchen. Dabei wird kontrolliert, ob sich die Blutwerte wieder normalisieren, ob also die Anzahl der Leukozyten wieder aufs normale Maß sinkt und die der Blutplättchen wieder so hoch ist wie üblich. Würde er es wieder tun? "Ja freilich", sagt er, "es ist doch schön, dass ich helfen kann."
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