"Ich möchte nichts anderes machen"
Jürgen Heller aus Raisting ist Lkw-Fahrer bei einem örtlichen Fuhrunternehmen. Er sitzt schon seit 18 Jahren im Führerhaus eines Sattelzugs und möchte mit niemandem tauschen. Auch seine Kinder teilen seine Leidenschaft.
Wann haben Sie den Führerschein gemacht? Gab es damals noch den grauen oder rosafarbenen Papierführerschein oder schon das Exemplar im Scheckkartenformat? Fakt ist, dass alle Führerscheine, die vor dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden, in den nächsten Jahren in einen neuen, fälschungssicheren EU-Führerschein umgetauscht werden (wir berichteten). Der Ammersee Kurier hat die Tauschaktion zum Anlass genommen, um mit Personen zu sprechen, für die der Führerschein besonders wichtig ist. Taxifahrer, Lkw-Fahrer und Fahrlehrer. Sie sitzen täglich hinterm Steuer und verdienen damit ihre Brötchen. Da ist ein Gläschen Sekt tabu und sollten sich auch die Einträge im Fahreignungsregister in Flensburg in Grenzen halten.
Das trifft auch auf Jürgen Heller aus Raisting zu. Der 43-Jährige ist seit 18 Jahren bei einem örtlichen Fuhrunternehmen angestellt und fährt einen Sattelkipper. Zwischendurch hat er einmal drei Jahre lang in seinem Lehrberuf als Feinblechner gearbeitet. Doch die Arbeit am Fließband und mit Schicht hat ihm keinen Spaß gemacht. Der Wechsel zurück ins Führerhaus war eine gute Entscheidung. "Ich wollte wieder raus", untermauert er seine Entscheidung. Raus vom Innendienst auf die Straße, in den Lkw. "Das hat mich schon immer begeistert", erzählt der Raistinger. Schon bei seinem Vater saß er gerne auf dem Bagger und begleitete ihn bei seinen Lkw-Fahrten, wenn es die Schule zuließ. Während des Zivildienstes packte er dann die Gelegenheit beim Schopf und meldete sich 20-jährig zum Lkw-Führerschein. Die Prüfung hat er 1997 gemacht und wie den Pkw-Führerschein zwei Jahre vorher auf Anhieb bestanden. Und er weiß sogar noch, wie viel er für den Lkw-Schein gezahlt hat. 2800 D-Mark seien es gewesen. "Heute muss man dafür 7000 bis 8000 Euro hinblättern" - und sich zudem als Berufskraftfahrer qualifizieren. Das kostet zusätzlich.
Jürgen Heller ist im Baustellenverkehr eingesetzt. Mit "seinem" Sattelzug transportiere er Aushub, Abbruchmaterial, Kies und auch mal Wasserbausteine zum Flussverbau oder zum Abstützen eines Hangs, erklärt der Lkw-Fahrer. Leer wiege sein Gefährt 16 Tonnen und beladen seien insgesamt 40 Tonnen möglich. Da sei Verantwortung gefragt, dem Arbeitgeber, den anderen Verkehrsteilnehmern und sich selbst gegenüber, um niemanden zu gefährden.
Zu größeren Unfällen sei es noch nicht gekommen. Darüber sei er froh. Einmal hat’s gekracht, jedoch ohne seine Schuld und ohne Personenschäden. "Einen Punkt hat man schon mal gekriegt", gesteht er. Da hat er auf der Autobahn einmal den vorgeschriebenen Abstand nicht eingehalten. Doch das ist schon lange her. Und wenn Schnee liegt, bleiben die Lkw auf dem Hof. Da gehe sein Arbeitgeber kein Risiko ein, sagt Jürgen Heller.
Wer weiß, dass er sich nichts erlauben kann, steckt privat zurück und legt es nicht darauf an. Doch das sei für den Raistinger "kein Verzicht", wie er sagt. Er sei es gewohnt von Montag bis Freitag auf dem Bock zu sitzen und konzentriert zu arbeiten.
Der Sport geht dem Berufskraftfahrer gerade ein bisschen ab. Früher war er regelmäßig im Fußballtraining, "das war ein guter Ausgleich". Doch derzeit schaffe er es gerade einmal, sich gelegentlich zum Joggen aufzuraffen. Er hofft, dass er nach der Corona-Pandemie bald wieder mit der AH-Fußballmannschaft trainieren kann.
60 000 bis 65 000 Kilometer legt Jürgen Heller jedes Jahr mit dem fünfachsigen Laster zurück, schätzt er. Auch nach 18 Jahren macht ihm der Job noch richtig Spaß. "Der Chef ist gut, die Kollegen sind nett und ich kann mit dem Rad zur Arbeit fahren", zählt er seine Vorteile auf.
Damit er den Brummi stets sicher lenkt, muss sich der Angestellte alle fünf Jahre einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. "Das ist ein Komplettcheck mit Sehtest", erklärt Heller. Zudem muss er im Zeitraum von fünf Jahren fünfmal in die Fahrschule, um sich ausbilden zu lassen. Anschließend kann er den Führerschein - zusammen mit dem ärztlichen Attest - neu beantragen. Die Kosten dafür übernimmt sein Arbeitgeber. Erst in drei Jahren ist es bei ihm wieder soweit.
Zudem erwähnt Heller die Sicherheitsaspekte, die das Fahrzeug an sich aufweist. Obwohl man heute nichts mehr selbst reparieren könne, hätten die neuen Fahrzeuge viele Vorteile. Einen Abstandswarner zum Beispiel und einen Abbiegeassistenten. Die Tachoscheiben wurden längst digitalisiert. Auf einer Fahrerkarte, ähnlich einer EC-Karte, werden die Fahr- und Ruhezeiten sowie die gefahrenen Kilometer gespeichert. Man müsse schon gut aufpassen, dass man die Pausen einhält, sagt Heller, und dass es nicht leicht sei, immer nach 4,5 Stunden Fahrzeit eine Pause einzulegen. Doch es gelinge ihm, die 45 Wochenstunden so aufzuteilen, dass er am Freitagmittag ins Wochenende gehen kann.
Lässt er privat lieber seine Frau ans Steuer, weil er genug hat von der Fahrerei? Ganz im Gegenteil. "Ich fahre privat auch gern", auch, weil er eigenen Angaben zufolge "ein schlechter Beifahrer" sei und gerne mitbremse, wenn jemand anderes das Steuer in der Hand hält. Da ist es gut, dass seine Frau und seine beiden Kinder gerne bei ihm im Auto - und die Kinder gelegentlich auch im Lkw - sitzen. Milena (12) und Lorenz (5) lieben es, wenn der Papa sie mal ins Führerhaus lässt. "Für Lorenz ist das das Höchste", sagt er. Somit wäre also auch schon - in der dritten Generation - für die Nachfolge gesorgt.
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