Hier ist so manches Kraut gewachsen
Thomas Reichert hat in Diedorf ein Reich der Heilpflanzen geschaffen
Es muss eben nicht immer eine Tablette sein, auch Naturmittel können bei Beschwerden wie Bauchweh, Schnupfen oder Schlafproblemen helfen. Apotheker Thomas Reichert kennt sich damit aus, gegen welche Krankheit ein Kraut gewachsen ist. In seinem Apothekergarten wächst einiges davon.
Vor zwei Jahren hat Reichert die Marktapotheke in Diedorf übernommen. Rund um das als früher als Wohnhaus konzipierte Gebäude befand sich eine ungepflegte, verwilderte Außenanlage. „Der Garten war wohl einige Jahre nicht mehr betreten worden“, nimmt Reichert an. Er beschloss, diesen wieder auf Vordermann zu bringen.
Bei Thomas Reichert kamen zwei Dinge zusammen: Er hat nicht nur täglich mit Heilpflanzen beruflich zu tun, er ist auch ein Pflanzenliebhaber. „Meine erste Überlegung war, aus dem Garten einfach nur etwas Schönes mit vielen verschiedenen Rosensorten und Lavendel zu machen“, erinnert sich Reichert. Doch schnell entstand die Idee, hier einen klassischen Apothekergarten anzulegen. „Es war eine ganz schöne Arbeit, ich hätte den Aufwand fast unterschätzt“, blickt er zurück. Der rückwärtige Teil des Gartens wurde denjenigen Heilpflanzen vorbehalten, die die Menschen seit alters her zur Behandlung verschiedener Erkrankungen kennen und nutzen, wie Kamille oder Huflattich.
Die Anlage ist nach den traditionellen Einsatzgebieten in der Medizin eingeteilt. Auf den Schildern liest man Themengebiete wie Erkältungen, Frauenleiden oder Herz und Kreislauf. Weiter wird auch die moderne Pflanzenheilkunde, wie der Einsatz von Traubensilberkerzenextrakten bei Wechseljahrbeschwerden oder Artischockenextrakten zur Senkung des Cholesterinspiegels, vorgestellt. Aber auch für Schlankheit, Schönheit und die männliche Potenz ist ein Kräutlein gewachsen.
Rund 100 europäische Heilpflanzen warten auf die Besucher. Da Reichert aber eine besondere Affinität zu Pflanzen hat, die nicht jeder besitzt, entschloss er sich, dem heimischen Apothekergarten eine Abteilung mit internationalen, exotischen Heilpflanzen anzuschließen. In dem einem italienischen Renaissancegarten nachempfundenen vorderen Teil des Gartens sind nun fast 150 Heilpflanzen aus aller Welt zu sehen. Dieser ist etwas anders organisiert als der traditionelle Heilpflanzengarten und eingeteilt in die Herkunftsländer, aber auch in die traditionellen Medizinarten, in denen sie Anwendung finden. Beispiele sind das indische Ayurveda oder chinesische TCM. „Dabei behandelt man nicht eine Krankheit mit einer Pflanze, sondern betrachtet den Menschen ganzheitlich, eine Pflanze wird deshalb auch unter ganz anderen Gesichtspunkten ausgewählt“, weiß Reichert.
Reichert geht für den Kauf neuer Pflanzen oft 5000 bis 8000 Kilometer auf Reisen. So findet man in dem Garten an der Lindenstraße unter anderem den Meerrettichbaum – den Baum der Unsterblichkeit, der in Indien seit mehr als 5000 Jahren bei über 100 Krankheiten eingesetzt wird, die Yamswurzel, die den Hauptbestandteil der ersten Antibabypille lieferte oder das Aztekische Traumkraut mit traumindizierender Wirkung. „Es verhilft zu längeren und intensiveren Träumen und verbessert die Traumerinnerung“, erklärt der Apotheker. Eine kleine Hexenecke führt zurück ins Mittelalter in die Welt der Hexen und Schamanen. Tollkirsche, Stechpalme und verschiedene Kräuter ergänzen dort das botanische Werk des Diedorfer Apothekers.
Dessen Konzept hat sich bereits herumgesprochen und gerne werfen Spaziergänger einen Blick über den Zaun. „Die Leute kennen zwar oftmals das pflanzliche Heilmittel aus der Apotheke, wie die Pflanze aussieht, die dahinter steckt, wissen sie aber nicht“, weiß der Apotheker und bietet deshalb seit Kurzem zusammen mit Apotheker, Landschaftsführer und Heilpraktiker Rainer Roos Führungen durch seinen Apothekergarten an.
Während Roos die europäischen Arzneipflanzen vorstellt, nimmt Reichert seine Besucher mit auf eine Reise durch die Naturmedizin rund um die Welt. Dabei weist er auch auf wichtige Heilpflanzen aus der Homöopathie hin, denn viele Patienten greifen bei gesundheitlichen Problemen heute lieber zu Arnika, Nux vomica, Belladonna oder Aconitum denn zu Pillen. „Trotz Regens waren letztes Mal etwa 80 Personen gekommen“, freut sich der Apotheker über eine große Resonanz.
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