Imposant und ansehnlich
In Augsburg warte auf das Publikum "ein herrlicher, gemauerter Bahnhof", heißt es 1840 in einem Bericht. Mit diesem so gelobten Bauwerk verbindet sich ein in Augsburg geläufiger Name: Johann Georg Gollwitzer. Er kam am 24. November 1810, also vor 200 Jahren, in Altenhammer (Oberpfalz) zur Welt. Er hatte 1839 in Augsburg die Konzession zur Führung eines Baugeschäftes erhalten und wurde sofort beim Bahnhofsbau berücksichtigt. Er schuf sich damit auf Anhieb einen derart guten Ruf, dass man ihm rasch größere Eisenbahn-, Industrie- und Wohnbauten übertrug. Zu noch größerer Bedeutung als Baumeister und Architekt gelangte sein 1839 in Meringerau, dem heutigen Siebenbrunn, geborener Sohn Karl Albert.
Augsburgs erster Bahnhof vor dem Roten Tor wirkte imposant: Die rund 60 Meter lange Bahnhofshalle mit offenem Dachstuhl und weitem Einfahrts-portal war architektonisch entschieden ansehnlicher als die Münchner Bahnhofbauten. Einige der hohen seitlichen Durchgänge mit Rundbogen sind heute noch sichtbar. Sie waren ursprünglich offen. Im Inneren waren drei Gleispaare verlegt, an der Stirnseite über zwei Drehscheiben zum Umsetzen der Loks verbunden. Ergänzt wurde die Bahnhofsanlage durch niedrigere Betriebsgebäude zur Wartung des Fuhrparks. Weitere Bauten für Wartesäle, Gepäckabfertigung und Verwaltung waren zwar geplant, kamen aber nie zur Ausführung. Die ungeahnt stürmische Entwicklung im Eisenbahnwesen überrollte die Planer.
Ein Gedicht aufs neue Verkehrszeitalter
In der offenen Bahnhofshalle lief am 4. Oktober 1840 der erste Zug ein. In 27 Wagen kamen nach zweieinhalbstündiger Fahrt 600 Gäste der Einweihungsfeierlichkeiten für die Städteverbindung München-Augsburg an. Eine Augsburger Zeitung begrüßte mit einem Gedicht die Ehrengäste und das neue Verkehrszeitalter: "Zur Wahrheit endlich ist das Werk geworden, / die Eisenbahn ist nun kein leerer Wahn. / Geöffnet sind von heut' des Bahnhofs Pforten / und dampfend rauscht der Wagen auf der Bahn. / Er dampft und bringet uns geschätzte Gäste, / die Herren Münchner aus der Königs-Stadt. / Seid uns willkommen beim Eröffnungsfeste, / das Euch Augusta heut' bereitet hat."
Der Augsburger Graveur und Medailleur Johann Jakob Neuss (1770-1847) fertigte zu dem denkwürdigen Ereignis eine Medaille. Prägungen in Silber, Bronze und Zinn sind erhalten.
In den Beständen des Maximilianmuseums Augsburg befinden sich ein besonders schönes Silberexemplar sowie ein bronzenes. Auf der Schauseite wird der regierende bayerische König Ludwig I. mit einem Porträt geehrt. Die Gegenseite zeigt die Miniaturdarstellung eines die Lechbrücke passierenden Zuges.
Das Maximilianmuseum besitzt nicht nur diese Erinnerungsstücke zur Augsburger Eisenbahngeschichte, sondern auch vier "um 1840" datierte Wagenmodelle. Sie sind in der Dauerausstellung zu sehen. Der Augsburger Mechaniker Haevel, der schon die Ausflugswagen für den "Probeverkehr" zum Spickel von 1838 bis 1840 gebaut hatte, wurde von der Bahngesellschaft bei der Erstbestellung von "echten" Waggons berücksichtigt. Aufbauten dazu fertigten ein Augsburger Wagner und ein Sattler.
Umweht von Rauch und Ruß
37 Personen- und zwölf Güterwagen umfasste der Bestand bei der Eröffnung. Die Passagiere konnten unter vier Wagenklassen wählen, wobei lediglich die 1. Klasse über Glasfenster verfügte. Die 2.- und 3.-Klasse-Wagen waren überdacht, während die 4.-Klasse-Passagiere auf Holzbänken in einem "Cabriolet" Platz nehmen mussten, umweht von Rauch und Ruß. Diese Freiluftplätze blieben allerdings meist unbesetzt, sodass die offenen Wagen bereits zum 1. Mai 1841 ausgemustert wurden.
Die Frequenz des neuen Verkehrsmittels war enorm. Im Eröffnungsmonat Oktober 1840 erprobten es 20 225 Personen. Dazu trug auch das am 11. Oktober eröffnete Oktoberfest in München bei. Sogar zur Nachtzeit verkehrte ein Zugpaar zwischen Augsburg und München. Da fuhr man mit Pferdevorspann (viermaliger Pferdewechsel, Fahrzeit acht Stunden) statt Lokomotiven. Diese Fahrten waren besonders preiswert.
Info Die Fortsetzung der Eisenbahngeschichte lesen Sie nächste Woche im Augsburg-Album.
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