Mit Respekt und Anspruch
Gäbe es bei Chefdirigenten ein Gesetz der Reihe, dann müsste Augsburgs neuer Generalmusikdirektor Dirk Kaftan wieder ein milder Orchestererzieher sein. Denn sein Vorgänger Rudolf Piehlmayer war ebenso wie Michael Luig (1989 - 1995) unerbittlich fordernd, und zwischen diesen beiden leitete Peter Leonard die Philharmoniker allzu konziliant (1995 - 2002).
Wie der neue GMD Dirk Kaftan aber tatsächlich ist, wird sich vor Publikum weisen am 28./29. September beim ersten Sinfoniekonzert der Saison in der Kongresshalle (Haydn, Korngold, Mahler) und bei der ersten Opernpremiere der Spielzeit am 17. Oktober im Großen Haus mit Verdis "Don Carlos". Wünschenswert jedenfalls für Schwabens Musikfreunde und die Philharmoniker wäre es, wenn Kaftan nicht die GMD-Mentalitäts-"Pendelbewegungen" fortsetzte, sondern den Ausgleich schaffen würde zwischen Pochen auf Qualität und menschlicher Führung bzw. Motivation. Spricht man mit Kaftan über dieses Thema, so ergibt sich, dass der Spagat diesmal gelingen könnte: Einerseits betont der 1973 in Marburg Geborene, dass er "mit großem Respekt" vor den Musikern auf das Dirigierpult steigen werde, andererseits erklärt er unmissverständlich, dass er mit eventuell leidenschaftslos geleisteter Arbeit nicht umgehen könne. Es gelte eine Wellenlänge herzustellen zwischen Anforderung, Wissen um die Tätigkeit und Überzeugung.
Dabei wird ein mächtiger Prüfstein für Dirk Kaftan sein, ob es ihm gelingt, die Sinfoniekonzerte wieder besser zu füllen. Dies ist dem ehemaligen 1. Kapellmeister von Bielefeld und Graz auch durchaus bewusst. Er verweist diesbezüglich auf mehrere neue Wege: Zum einen werden seine Konzert-Programme einen roten Faden, ein Konzept, einen Titel tragen; zum Zweiten wird er durch seine Abende auf verschiedene Kulturkreise in Augsburg zugehen (wie türkische und russische Gemeinden), zum Dritten wird die Zahl der Kinder-, Jugend-, Familien- und Schulkonzerte stark ausgeweitet. "Wunder" könne man dennoch nicht erwarten, gibt sich Kaftan realistisch und fügt hinzu: "Die Früchte bei der Jugendarbeit werden erst in 30 Jahren geerntet." Was kündigt der Familienvater, der in der kommenden Saison u. a. auch fünf "Tosca"-Abende an der Dresdner Staatsoper dirigieren wird, für Augsburg noch an? Eine engere Vernetzung der Sinfoniekonzerte mit dem Opernspielplan, Repertoires aus Epochen, die sonst ausgespart bleiben, Moderne und Zeitgenossen, dazu die besondere Pflege von Haydn und Mahler, Sonderkonzerte bei der MAN und im Bahnpark, wo beispielsweise in einer Art "geschlossenem Programm" u. a. Honeggers "Pacific 231", Adams "Short Ride in a Fast Machine" und Strayhorns "Take the A-Train" erklingen (4. Juli 2010).
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