Auf der Suche nach der Seele
Jutta Slatosch fuhr Taxi, studierte Lehramt, reiste mit Indianern durch Amerika und ist nun selbstständige Mentaltrainerin. Auf dem Weg zu sich selbst hat sie auch vieles über andere gelernt
Jutta Slatosch trägt Dirndl und auf der Stirn ein Bindi. Sie schöpft gerne aus unterschiedlichen Kulturen, warum also nicht mal Bayern und Indien mischen? Gut, genau genommen liegt ihr Amerika näher. Amerika und die Huichol-Indianer. Aber das Leben ist umso spannender, je offener man ist.
Die 58-Jährige sitzt im Innenhof des Maximilianmuseums, trinkt Holunder-Bionade und erzählt. Von den Wendungen, die ihr Leben genommen hat, weil sie vom Lehramtsstudium, das sie als „Geister- und Gespensterwissenschaften“ bezeichnet, so enttäuscht war, dass sie nach dem ersten Jahr als Referendarin hinschmiss.
Was dann kam, war Ausprobieren: „Ich habe Taxi gefahren, im Buchladen gejobbt, mich meinen Hobbys gewidmet, war in Selbsterfahrungsgruppen. So kam ich zum Schamanismus.“ Schweigen. Jutta Slatosch lächelt. Sie ist solche Reaktionen gewöhnt.
Vielleicht hat sie deshalb mit ihren Interessen hinter den Berg gehalten, als sie noch bei der Regio Augsburg Tourismus war. Als sie dort vor einigen Monaten kündigte, um sich als Mentaltrainerin mit Standort im Alten Stadtbad selbstständig zu machen, als sie erzählte, dass sie ein Diplom der Akademie für Seelen-Schamanismus in der Tasche hat, da waren viele Kollegen erst mal überrascht.
Seelen-Schamanismus also. Jutta Slatosch hat sich intensiv damit beschäftigt. Sie reiste mit einem Amerikaner, der von einem Huichol-Indianer adoptiert und zum Schamanen geweiht worden war, durch die Vereinigten Staaten. Sie nahm an indianischen Ritualen teil, „alle mit viel Getrommle, Gesinge und Getanze“.
Sie baute Schwitzhütten aus Weiden an mythischen Kraftorten, um sich mit den Elementen zu verbinden. „In unserer zivilisierten Welt haben wir das verlernt. Wir schweben doch irgendwie zwischen allem.“
Bei Jutta Slatosch trifft das vielleicht in mehrerlei Hinsicht zu: Sie selbst ist zwar in Augsburg geboren, doch ihre Eltern kamen aus Schlesien. Als Kind spürte Slatosch, wie sehr Mutter und Vater unter dem verlorenen Krieg, unter dem Verlust der Heimat litten. „Ich habe mir damals gedacht: Du gehörst hier nicht her. Vielleicht habe ich darum immer meine Wurzeln gesucht.“
Auch auf die Religion dehnte sich diese Suche aus: Slatosch, „erzkatholisch erzogen“, trat aus der Kirche aus, um nach zehn Jahren festzustellen, dass der christliche Glaube trotz anderer spiritueller Erfahrung ihre wahre Heimat ist. Also meldete sie sich zurück, „sagte ein Vaterunser und ein Glaubensbekenntnis auf und war wieder drin“. Inklusive Kirchenchor.
Die Kündigung war eine Art Mutprobe
Ihre Kündigung bei der Regio war eine Art Mutprobe. Denn ob ihre Arbeit als Mentaltrainerin sie finanziell tragen wird, kann Jutta Slatosch nicht sagen. Es kommt ihr aber auch nicht so sehr darauf an. Wichtiger war ihr, neu zu starten; das zu tun, was ihr am Herzen liegt. „Wie viele glänzende Augen habe ich gesehen, als ich anderen davon erzählt habe.“ Für viele Menschen bleibe ein solcher Neustart eben ein Leben lang ein Traum.
Den Titel einer „Schamanin“ darf Slatosch trotz des Diploms nicht für sich beanspruchen. „Es ist zwar kein geschützter Begriff, aber Schamanen haben einen eigenen Stamm und wurden von einem anderen Schamanen initiiert.“
Als eine Heilerin, was „Schamane“ im Wortsinn bedeutet, sieht sie sich dennoch und die 58-Jährige ist überzeugt, dass das Interesse an dieser Behandlung auch in unserer Gesellschaft wachsen wird: „Früher empfanden viele ja auch Yoga und Homöopathie als komisch. In den 80ern hat man das alles in die Drogenecke abgeschoben, heute macht es jeder.“
Es liege wohl an unserem Alltag, an der Hektik, die einen krank macht. „Irgendwann ist jeder so weit, dass er Alternativen sucht. Bei vielen kommt dieser Anreiz über die Kinder.“
Auch auf diesem Gebiet „bildet“ sich Jutta Slatosch gerade fort: Weil sie selbst keine Kinder hat, betreut sie seit Kurzem einen Jungen, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist. „Ich begleite ihn zur Schule und lerne dadurch selbst sehr viel Neues.“ Mit 58 Jahren ist Jutta Slatosch angekommen. Vielleicht nicht zum letzten Mal...
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