Dramen, die das Leben schreibt
In unserer Kultur-Kolumne geht es um Kunst, Kultur und das Leben, heute um eine Geschichte, die mit einer defekten Jalousie beginnt.
Manchmal wird das Leben selbst zum Schriftsteller und schreibt seltsame Geschichten. Diese hier beginnt mit einer Wohnzimmer-Jalousie, die repariert werden muss. Im tiefen Winter bauen zwei Handwerker sie aus. Danach klafft draußen ein Loch oberhalb der Fensterfront. Ein paar Wochen später wollen die Handwerker die Jalousie wieder einbauen. Aber: Das Ding funktioniert nicht richtig. Also wieder zurück damit. Langsam wird es April. Die Balkonpflanzen bekommen Blätter, die Natur erwacht. Ein langer Urlaub steht bevor. Also ein Anruf in der Firma: Bitte die Jalousie erst in vier Wochen bringen, weil: niemand zu Hause. In den Urlaub hinein schreibt die pflanzengießende Nachbarin eine Kurznachricht: „Ich glaube, du hast einen neuen Untermieter bei dir auf dem Balkon“. Häh, Untermieter?
Tatsächlich. Zwei Vögel haben sich dort eingerichtet, wo sonst die Jalousie war. Also der Firma nach dem Urlaub mitgeteilt, dass die Jalousie weiter warten muss – brütende Vögel, die verjagt man nicht. Allerdings ist das Hausrotschwanz-Paar not amused, dass es den anfangs so ruhigen Ort plötzlich teilen muss: Aufgeregtes Geflatter an der Wohnzimmerfensterfront, sobald ich ihnen im Wohnzimmer zu nahe komme. Den Staubsauger am Samstag empfinden sie als eine Zumutung – also wird fortan der Besen benutzt. Weil es keine Jalousie zwischen ihnen und mir gibt, lasse ich das Wohnzimmerlicht abends aus. An neue Pflanzen auf dem Balkon ist nicht zu denken: Schon das Blumengießen alle zwei Tage macht die Vögel nervös. Womit klar ist, wer der neue Untermieter ist.
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