
Ein Haus mit "magnifiquen Zimmern und Sälen"

In den Schätzen der Staats- und Stadtbibliothek erst jetzt entdeckt: die Originalzeichnungen von Salomon Kleiner vom Augsburger Rathaus. Daraus ist nun ein prachtvoller Bildband entstanden.
Von Bildender Kunst über Musik bis Literatur. In unserer Serie „Werk der Woche“ stellen wir wöchentlich in loser Folge ein Kunstwerk mit regionalem Bezug vor, das die Begegnung lohnt.
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Wer kennt das nicht? Bei einem Umzug, wenn das Unterste zuoberst gekehrt wird, kann es sein, dass man etwas Kostbares entdeckt, von dem man gar nicht wusste, dass man es hat. So geschehen im Zuge der Auslagerung von Beständen der Staats- und Stadtbibliothek in die Augsburger Schillstraße, die wegen der geplanten Erweiterung und Sanierung der Bibliothek notwendig geworden war. Es tauchte bei der Durchsicht der Grafischen Sammlung ein Schatz auf - in einem einfachen Pappband des 18. Jahrhunderts fanden sich Originalzeichnungen aus der Feder von Salomon Kleiner, dem berühmten, in Augsburg geborenen Veduten- und Kupferstecher, die das Augsburger Rathaus zeigen. Es waren die Vorlagen für die Kupferstichfolge „Das prächtige Rath Hauß der Stadt Augsburg“, die im Jahr 1732/33 bei Jeremias Wolffs Erben herausgegeben wurde. Die Folge enthält Ansichten, Grund- und Aufrisse des 1615 von Elias Holl begonnenen und bis 1625/26 reich ausgestatteten Augsburger Rathauses und seiner prächtigen Innenräume. Datiert sind diese Originalzeichnungen von Salomon Kleiner auf die Jahre 1727/28.
Der erste Band der neuen "Schatzkisten"-Reihe
Diese wunderbaren Zeichnungen - die Staats- und Stadtbibliothek besitzt von diesem Stichwerk nach Salomon Kleiner sechs gebundene Ausgaben und zahlreiche lose Blätter - wurden nun gehoben und der Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Es wurde daraus ein Buch, angenähert der Originalgröße der Zeichnungen (ca. 45 mal 28 cm). Es fügte sich, dass es just zum 450. Geburtsjubiläum des Erbauers des Rathauses, Elias Holl, erscheinen konnte. Der Kunstband stellt jetzt den ersten Band der Reihe „Schatzkiste“ der Staats- und Stadtbibliothek dar. Im Goldenen Saal des Rathauses - wie konnte es anders sein - stellte Karl-Georg Pfändtner, Leiter der Staats- und Stadtbibliothek und Autor des Buches, die im Deutschen Kunstverlag erschienene Publikation vor, zu deren Verwirklichung eine Reihe von Stiftungen und u.a. die Kunstsammlungen und Museen Augsburg beigetragen haben. Pfändtner hatte sogar Originalzeichnungen zur Buchvorstellung mitgebracht.
"Zur Vergrößerung des längst erschallenen Ruhms"
Die großformatigen, detailreichen Bilder vom Augsburger Rathaus - auf dem jeweils linken Blatt die Zeichnungen von Salomon Kleiner, auf dem rechten Blatt die danach geschaffenen Kupferstiche - eröffnen einen Blick nicht nur auf die Architektur des Rathauses, sondern auch auf das bürgerlich-stolze Selbstverständnis Anfang des 17. Jahrhunderts. Die Augsburger waren sich der Bedeutung ihres Rathauses durchaus bewusst. Karl-Georg Pfändtner zitierte nach der barock ausschweifenden Einleitung von Jeremias Wolffs Erben zum Band „Das prächtige Rath Hauß der Stadt Augsburg“, dass man „den Entschluss gefasst habe, unsere Geburtsstadt nicht zu vergessen, sondern vielmehr zur Vergrößerung des längst erschallenen Ruhms die ansehnlichste Zierde des prächtigen Rath-Haußes … mit seinen magnifiquen Zimmern und Sälen zu repräsentieren und kundzutun“.
In einer ersten Ansicht fällt der Blick vom Rathausplatz aus auf die klaren Formen des Renaissance-Rathauses, der Platz selbst ist belebt von Menschen und Fuhrwerken, hier ein Reiter, dort Leute im Gespräch oder über den Platz flanierend, der Augustusbrunnen in der Mitte, und sogar ein Schlitten mit einer schweren Last ist zu sehen. Ob es eine Winteraufnahme aus dem Jahr 1728 ist? Die Forschung ist sich nicht sicher, denn eigentlich sieht die Szene recht sommerlich aus.

Auf den fein säuberlich gezeichneten Grundrissen der drei Etagen ist genau abzulesen, wo sich welche Räume zu welchem Zweck befanden. Das hilft zur Orientierung beim Weiterblättern. Im unteren „Pfletschz“ oder „Le Salon inferieur“ - wie auf allen Blättern findet sich auch die französische Bezeichnung - sind Kanonen und Wachen zu sehen. Spannend ein Blick in die "Raths-Stuben" in der zweiten Etage, mit an den Wänden umlaufenden Bänken, auf denen die Augsburger Räte mit ihren Perücken sitzen. Schmunzeln lässt, dass auf vielen der Blätter aus den Innenräumen immer wieder auch ein Hund zu entdecken ist.
Im Zentrum des Kunstbandes steht natürlich der Goldene Saal. Bezeichnend an den beiden Blättern ist, dass die quadratische Originalgröße beibehalten wurde und die Bilder ausklappbar sind. Der Goldene Saal ist belebt, dicht sitzen Menschen auf Bänken, andere stehen, einzeln oder in Gruppen, auch Wachen sind dabei. Alle Details der prachtvollen Ausgestaltung, die Fresken, die Gemälde, die Kaiserdarstellungen etc., sind hier wiederzuentdecken. Dies ist die Raumausstattung, nach welcher der Goldene Saal nach seiner nahezu vollständigen Zerstörung in der Bombennacht am 22. Februar 1944 in den 1980/90er Jahren wieder rekonstruiert wurde. Weitere Ansichten erlauben Blicke in das Vor-Zimmer (L’Antichambre), wo Menschen auf Bänken vor den großen Fenstern sitzen und warten. In der „Gericht-Stuben“ ist neben einer Gerichtsszene auch noch ein prächtiges Gemälde vom „Jüngsten Gericht“ von Johann König aus dem Jahr 1626 zu entdecken, das seit 1894 im Besitz der Staats- und Stadtbibliothek ist.
Besonders freut sich Karl-Georg Pfändtner über einen Aufschluss, der sich nun erst ergeben hat: Es scheint so, dass auf diesen Blättern zum ersten Mal der „Goldene Saal“ als „golden“ bezeichnet wurde. Hieß er zunächst nur „Großer Saal“, sprach die französische Bezeichnung vom „Salon doré“. In der deutschen Bildlegende hat man das „güldene“ dann bei „großer Saal“ nachträglich ergänzt.
Karl-Georg Pfändtner (Autor), Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Hg.): Das prächtige Rathaus der Stadt Augsburg. Deutscher Kunstverlag, 52 Seiten, 58 Euro.
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