Fahren wie ein Profi: Mit Porsche zum Training - und zum Rennen
So mancher Sportwagen-Freund träumt von einer Karriere als Rennfahrer. Doch wie schwierig schon die Anfänge sind, zeigt ein Fahrtraining. Und wie weit der Weg, das „Petit Le Mans“ in den USA.
Anspruch und Wirklichkeit driften manchmal weit auseinander. In diesem Fall sogar im Wortsinn. Ein bisschen zu viel Gas auf der mit Wasser benetzten, polierten Betonpiste, und der Porsche dreht sich wie ein Kreisel. Wie peinlich! „Du willst zu viel“, sagt Phil, der Instruktor auf dem Beifahrersitz. Mag sein, aber wollen das nicht alle „Benzinköpfe“, wie Autoenthusiasten in den USA genannt werden? Einmal Rennfahrer sein?
Profis und Amateure trennen Welten, und doch gibt es magische Orte, wo sich die Welten wieder treffen. Atlanta, Georgia ist so ein Hotspot. Einerseits befindet sich dort ein neues „Porsche Experience Center“ (auf deutsch: Erlebniszentrum), wo Einsteiger zum Beispiel auf der Schleuderplatte üben sowie herausfinden können, was sich schlimmer anfühlt: Über- oder Untersteuern. Andererseits liegt keine Fahrstunde entfernt einer der anspruchsvollsten Rundkurse der USA, die 4,088 Kilometer lange „Road Atlanta“, eine wilde Berg- und Talfahrt mit tückischen, weil häufig „blinden“ Kurven.
Porsche fährt dort das „Petit Le Mans“, ein Langstreckenrennen nach französischem Vorbild, wenn auch mit zehn statt 24 Stunden Dauer, deshalb „petit“, französisch für „klein“. Eine Art Hassliebe verbinde Porsche mit dem Rennen, sagt der verantwortliche Programm-Manager Steffen Höllwarth. Es gab schon Rennwochenenden zum Vergessen. Es gab aber auch solche, in denen Porsche alles in Grund und Boden fuhr. Zuletzt 2015, als der Elfer sogar weitaus leistungsfähigere Prototypen buchstäblich im Regen stehen ließ. Heute läuft es wieder. Werksfahrer Earl Bamber, LeMans-Sieger von 2015, hat sein Auto im Qualifying auf den dritten Platz gestellt, obwohl der Porsche eigentlich kein Auto für die eine schnelle Runde ist. „Am Ende war es wohl die genau richtige Dosis Risiko“, sagt Bamber.
Im Motorsport gibt es kein „schwaches“ Geschlecht
Das Risiko respektieren, das Auto respektieren, die Geschwindigkeit respektieren - in diesem Dreiklang liegt auch für Christina Nielsen der Schlüssel zum Erfolg. Die 26-Jährige ist die schnellste Frau im Feld. Im Motorsport gibt es, anders als in den meisten anderen Sportarten, kein „schwaches“ Geschlecht. Frauen können genauso schnell fahren wie Männer. Sie müssen es sich nur zutrauen. Selbstbewusstsein und Sicherheit erlangt aber nur, wer an sich arbeitet, so Nielsen.
Zurück also ins Fahrtraining in das Porsche-Hauptquartier, das so futuristisch aussieht, dass es als Kulisse für ein Science-Fiction-Drama dienen könnte. Hat es auch schon. Teile der Kinofilm-Reihe „Avengers“ wurden im Hause Porsche gedreht. Freunde der Marke dürften sich jedoch eher für die hauseigene Handlingstrecke interessieren, auf der man unter Anleitung eines Instruktors seine Grenzen austesten kann. Die des Autos liegen viel weiter entfernt als die des Fahrers. Erst wenn beide Faktoren zusammen finden, fährt man am Ende schnell. Und sicher. 850 Dollar kostet ein 90-minütiges Training auf einem 911 Turbo. Zumindest die lange Reise nach Amerika können sich Interessenten sparen: ein Experience-Center, das erste seiner Art, existiert auch in Leipzig. Mindestens 315 Euro sind hier für einen Basis-Kurs fällig, Werksführung inklusive. Ein weiteres Center soll im kommenden Jahr in Hockenheim, direkt am Formel-Eins-Kurs, eröffnen.
40 Mechaniker und tonnenweise Material reisen mit
Mit sechs Fahrern, 40 Mechanikern, tonnenweise Material und einer Kolonne an Fahrzeugen ist die Porsche-Crew nach Atlanta gereist. Rund 20 mal fliegt Programmchef Höllwarth jedes Jahr in die USA, um hier die IMSA, die wichtigste Rennserie im GT-Sport in Übersee, zu bestreiten. Es ist ein Job mit vielen Herausforderungen, wobei die technische Vorbereitung und die nie enden wollende Abstimmung der Autos mit am meisten Zeit fressen. 14-Stunden-Schichten und mehr schieben die Mechaniker. Sie sind dennoch auf den Punkt hellwach. Nur 28 Sekunden dauert es, bis ein kompletter Satz Bremsen gewechselt ist. In knapp 15 Sekunden tauschen die Männer die Räder - und parallel wechselt der Fahrer. Mehr als vier Mechaniker dürfen nicht gleichzeitig am Auto arbeiten.
Dass es immer um Millimeter, um Hundertstel, um Nuancen geht, zeigt ein Zwischenfall im Warm-Up: mit kalten Reifen und kalten Bremsen ist eines der Autos in die Bande gerutscht, die Karosserie demoliert. In wenigen Minuten muss der Wagen komplett neu eingekleidet werden. Die Männer bekommen auch das hin. Die Fans vor der Werkstatt applaudieren. Draußen auf den Naturtribühnen der Road Atlanta campieren an diesem Wochenende 80.000 Menschen. Es riecht nach Barbecue und Benzin, Volksfest-Atmosphäre.
Der Rennwagen kostet rund eine Million Euro
Drei Fahrer setzt Porsche im Rotationsprinzip auf der Langstrecke ein. Sie pilotieren einen der besten GT-Rennwagen der Welt, den 911 RSR. Fans erkennen ihn auch ohne hinzusehen: an seinem unverwechselbaren Klang. Der Porsche schreit heller als andere, weil sein Saugmotor mit 9000 Touren extrem hoch dreht. „Musik in meinen Ohren“, sagt Greg aus Cleveland, Ohio. Er ist wie jedes Jahr mit einem 400.000-Dollar-Wohnmobil vor Ort. In der heimischen Garage stehen vier Porsches. Die IMSA-Serie zieht Amerikaner mit viel Geld an. Ein 911 RSR dürfte trotzdem für die meisten ein Traum bleiben. Erstens ist er nicht einfach so verkäuflich. Zweitens kostet er rund eine Million Euro allein in der Anschaffung.
Der performanteste aller Elfer legt dafür in allen Bereichen noch eine Schippe drauf. Er verfügt über einen mechanischen Grip, der atemberaubende Kurvengeschwindigkeiten zulässt. Dank Slick-Bereifung und Feinschmecker-Fahrwerk klebt der RSR förmlich auf der Straße. Aerodynamik-Komponenten lenken die Luftströme so um das Auto, dass maximaler Abtrieb erzeugt wird. Porsche hat in diesem Elfer sogar den Heck- in einen Mittelmotor verwandelt, um einen riesigen Diffusor anbringen zu können. Kompromisse gibt es keine, schon gar nicht Richtung Komfort. Beispielsweise ist der Sechszylinder nicht gummigelagert und die Klimaanlage arbeitet nur, wenn der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt. Man verschenkt keine Leistung in einem Rennauto. 510 PS mobilisiert der Vierliter-Boxermotor, mehr darf er laut Reglement nicht. Die PS-Zahl allein macht es allerdings ohnehin nicht. „Ein Auto muss als Ganzes schnell sein“, sagt Programmchef Höllwarth.
Rennsport-Knowhow fließt in die Serie ein
Porsche-Fahrer dürfen damit rechnen dass vieles, was heute auf der Rennstrecke entwickelt wird, morgen Einzug in die Serie findet. Das ist der Sinn der Sache. In Amerika gilt der Spruch noch, wonach die Marke, die am Samstag gewinnt, am Montag gekauft wird. Eine gute Platzierung bei der Petit Le Mans ist auch deshalb so wichtig, weil die Zuffenhausener in Atlanta gegen direkte Premium-Rivalen wie eine Corvette oder einen Ferrari 488 antreten. „Die USA sind mit Abstand der wichtigste Sportwagenmarkt der Welt. Für uns und für alle anderen auch“, sagt Motorsportchef Steffen Walliser. Der Serienwagen, der dem RSR am nächsten kommt, ohne ihn jemals zu erreichen, ist der 911 GT 3 RS. Rund 200.000 Euro müssen Käufer dafür in die Hand nehmen. Eine hohe, aber keine schlechte Investition. Die Nachfrage ist so groß, dass sich Besitzer von der ersten Sekunde an über eine Wertsteigerung freuen können. An diesem Renntag auf der Road Atlanta geht die Rechnung für alle auf, für Hersteller und Fans: Nach nervenaufreibenden zehn Stunden gewinnt Porsche das „Petit Le Mans“.
Aller Anfang ist schwer
Wie weit der Weg zu solchen Triumphen ist, kann der Anfänger nur erahnen. Zurück im Fahrtraining im Porsche Experience Center geht es erst einmal um vermeintlich Banales: In den Kurven immer dahin schauen, wohin man steuern möchte. Dann und nur dann folgt das Auto auch. Beim Bremsen richtig bremsen. Und nicht „like a Girl“, sagt Instruktor Phil. Die Hände bei neun und drei Uhr am Lenkrad lassen. Bitte keine Wisch- oder Wanderbewegungen über das Volant! Und nicht zuletzt: Die Rückenlehne korrekt einstellen. Sogar das will gelernt sein. Nun gut. Alle haben mal klein angefangen.
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