Acht Häuser in Memminger Altstadt evakuiert
Der Dachstuhl eines Gebäudes aus dem 15. Jahrhundert droht einzustürzen. Er wird noch am Abend teilweise eingerissen. 35 Anwohner müssen ihre Wohnungen sicherheitshalber verlassen. Was Betroffene sagen
Großeinsatz in der Memminger Innenstadt: Acht Gebäude sind am Donnerstag evakuiert worden, 35 Personen mussten ihre Wohnungen verlassen und durften nur das Nötigste mitnehmen. Der Grund: Das denkmalgeschützte Färberhaus neben dem Westertor befindet sich in so extrem schlechtem Zustand, dass ein Teil des Dachstuhls noch am Abend kontrolliert zum Einsturz gebracht wurde. Heute sollen die Arbeiten weitergehen. Ziel ist es, das Gebäude zu erhalten. Die Umgebung war für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer weiträumig gesperrt. Vor Ort waren mehr als 150 Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk.
Dem Sohn der Hauseigentümerin war offenbar aufgefallen, dass der Kamin schräg stand. Zudem hatte er entdeckt, dass sich der Dachstuhl „in einem teilweise nicht sicheren Zustand“ befand. Der Mann beauftragte daraufhin eine Baufirma mit der Überprüfung. Diese stellte fest, dass der Dachstuhl einsturzgefährdet sei, und informierte die Stadt Memmingen. Die Verwaltung ließ zunächst das aus dem 15. Jahrhundert stammende historische Färberhaus sowie den zweiten und dritten Stock eines benachbarten Gebäudes räumen.
Nachdem am frühen Abend die Entscheidung gefallen war, den Dachstuhl zum Einsturz zu bringen, wurden sechs weitere Häuser komplett geräumt. Es war offensichtlich, dass sich die Lage weiter zugespitzt hatte: „Die Neigung des Dachgiebels wurde im Laufe des Tages immer ausgeprägter“, berichtete ein Augenzeuge.
Eine Spezialfirma aus Mindelheim sollte deshalb den Dachstuhl des Färberhauses kontrolliert zum Einsturz bringen. Dafür wurde eine fünf Tonnen schwere Betonplatte an einen Autokran gehängt, die den Dachstuhl sanft eindrücken sollte. Die Platte erwies sich jedoch als zu leicht und wurde durch eine doppelt so schwere ersetzt. Die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite der Straße wurden mit sogenannten Trümmermatten geschützt.
Auch die langjährige Memminger Stadtführerin Sabine Rogg verfolgte das Geschehen in der Zangmeisterstraße. Ihr standen Tränen in den Augen: „Mir bricht das Herz. Seit meiner Kindheit bin ich jeden Tag an diesem Haus vorbeigeradelt.“ Mitarbeiter der Stadt zeigten sich betroffen. Oberbürgermeister Manfred Schilder betonte: „Die Sicherheit der Menschen ist das Wichtigste.“ Die Pressesprecherin der Stadt, Julia Mayer, ergänzte: „Leider musste man so handeln.“
Hart traf es vor allem die Menschen, die ihre Wohnungen verlassen mussten. Eines der Häuser gehört der Baugenossenschaft Siebendächer. Deren Vorstand Markus Sonntag sagte, man habe die Mieter in Hotels unterbracht und in einigen Fällen mit Bargeld versorgt. Manche seien gerade von der Arbeit gekommen und hätten ihre persönlichen Sachen nicht mehr aus dem Gebäude holen können.
Auch der evangelische Dekan Christoph Schieder musste seine Wohnung verlassen. Sein Mitgefühl galt vor allem den Bewohnern des Färberhauses: „Da ist jetzt einiges verloren.“ Er wisse jetzt, wie es ist, wenn auf einmal die Polizei im Flur steht und eine Räumung veranlasst: „Das ist kein schönes Gefühl.“ Schieder hat die Fensterläden geschlossen, damit die Scheiben beim Einsturz des Daches nicht beschädigt werden.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wie kann es sein, dass ein bewohntes Haus so durch einen solch maroden Dachstuhl Einsturzgefährdet ist? Konnte man das vorher äußerlich und durch regelmäßiges begehen (wenn man schon weiß, dass altersbedingt Mängel vorhanden sind) nicht feststellen?