Huberbuam wagen sich wieder an Horror-Wand
Wer oben steht, sieht den Abgrund. 1000 Meter tief. Begleitet von einer schroffen, fast senkrechten Granitwand. Zweimal schon wollten die Huberbuam in Rekordzeit die Wand im US-Bundesstaat Kalifornien erklimmen, zweimal sind sie gescheitert. Jetzt versuchen sie es zum dritten Mal.
Von Martina Bachmann, Augsburg/Berchtesgaden
Wer oben steht, sieht den Abgrund. 1000 Meter tief. Begleitet von einer schroffen, fast senkrechten Granitwand. Die Angst kriecht durch den Körper. Wer jetzt ausrutscht, ist tot.
Die Brüder und Extrem-Bergsteiger Alexander und Thomas Huber wollen diese Wand bezwingen, die "Nose" des "El Capitan" im Yosemite Nationalpark im US-Bundesstaat Kalifornien. In zweieinhalb Stunden von ganz unten bis ganz oben. Andere brauchen für diese Tour zwei Tage. Zweimal haben die Brüder einen Rekordversuch gestartet, zweimal sind sie gescheitert. Am 12. September fliegen die Huberbuam wieder über den Atlantik.
Nur noch wenige Tage zur Vorbereitung. Thomas Huber ist daheim, in Berchtesgaden. Nach mehreren erfolglosen Anrufen dröhnt endlich der oberbayerische Dialekt aus dem Hörer. "Naaa", meint er, "jetzt geht's net." Vorbeikommen? "Naaaaaaa. Ruf doch den Alexander an." Der antwortet unter einer Traunsteiner Nummer: "Ja, Du, 's Wetter is grad schlecht. I hob grad eh' nix zu tun." Trainingsklettern im Berg ist bei Regen schlecht möglich. So erzählt Alexander vom Bergsteigen, von den Rekordversuchen an der "Nose" und vom Film.
Bei den bisherigen Versuchen, die 1000-Meter-Wand zu bezwingen, wurden die Huberbuam von einem Filmteam begleitet. Das Ergebnis war die Dokumentation "Am Limit", die seit dem Frühjahr dieses Jahres bereits 250 000 Besucher im Kino gesehen haben. "Es wird am Ende wohl die erfolgreichste Dokumentation 2007", sagt Alexander in seinem besten Hochdeutsch. Ein Grund dafür: Der Zuschauer geht zusammen mit Regisseur Pepe Danquart der schwierigen Beziehung der Brüder auf den Grund.
Am Berg sind die Huberbuam ein Team ohne Kompromisse. Sie vertrauen sich. In jeder anderen Situation sind sie absolut gegensätzlich: Thomas, 1966 geboren, ist verheiratet und Papa von drei Kindern. Ein Bauchmensch, der auf seine Gefühle und Instinkte hört, temperamentvoll. Alexander, zwei Jahre jünger, der Physiker, der relativ ungebunden lebt, alles analysiert. Er bringt gerade sein eigenes Buch ("Der Berg in mir") heraus.
Im Hause Thomas Huber heißt das neueste "Projekt" Philomea und ist fünf Monate alt. Als der Papa doch noch ein Interview geben will, scheint die Kleine schlechte Laune zu haben. Sobald er etwas sagt, fängt sie an zu brüllen. Erschwerte Bedingungen, ganz wie am Berg. Doch während Thomas im Alltag die gleichen Sorgen und Ängste wie alle anderen plagen, ist er in der Höhe einfach frei. Und wenn er als Erster auf einem Gipfel steht, dann ist sein Glück perfekt: "Da fühlt man sich als Eroberer." Ein Gefühl, dass an der "Nose" noch fehlt. Thomas sagt: "Wenn man ein Bild anfängt, dann muss man es zu Ende malen. Wir versuchen, diese irrsinnige Idee zu Ende zu leben." Erinnert er sich nicht an seinen acht Meter tiefen Sturz, genau in dieser Wand? "Wenn jemand stirbt oder eine Liebe verloren geht, sind die Schmerzen schlimmer." Und: "Eine Niederlage gehört zum Leben wie die Luft zum Atmen." Doch die Rückschläge an der "Nose" wollen die Brüder nicht hinnehmen. Um den Rekord zu schaffen, sichern sie sich nicht alle zwei, sondern alle zwanzig Meter. Im schlimmsten Fall können die Huberbuam 40 bis 50 Meter tief in den Abgrund stürzen.
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