Die Pisten-Post
Hans Fink ist Deutschlands einziger Briefträger auf Skiern. Die Kunden auf den Bergen schätzen ihn nicht nur wegen seiner Zuverlässigkeit. Er bringt auch Freude und Abwechslung.
Oben angekommen, geht zunächst nichts – außer Schauen. Unten weiß, oben blau und dazwischen die Berge: unwirklich weit und schön. Obwohl er es schon unzählige Mal gesehen hat, hält auch Hans Fink inne und betrachtet das Panorama. Ein „Servus Hans!“ reißt ihn aus den Gedanken. Skifahrer sausen vorbei, andere stoppen und schauen neugierig herüber.
Auch Hans Fink selbst ist ein Blickfang. Helm, Skier und Stöcke leuchten grell gelb, darauf prangt das schwarze Posthorn. Fink ist Briefträger auf dem rund 1500 Meter hohen Sudelfeld zwischen Bayrischzell (Landkreis Miesbach) und der Grenze zu Tirol. Im Sommer bringt er die Post mit dem Auto – jetzt im Winter, wenn das Sudelfeld Skipiste ist, mit den Skiern. Und das macht ihn zur Attraktion. Er ist der einzige Ski-Postbote Deutschlands.
Nur fünf Familien beliefert der 63-Jährige im Skigebiet. Der hohe Aufwand spielt keine Rolle für Erwin Nier, Pressesprecher der Deutschen Post in München. „Wir haben eine Zustellungspflicht.“ Der Anspruch ist klar: „Von der Zugspitze bis zu den Halligen – wir liefern überall hin“, sagt der Pressesprecher. Sofern es den Briefträgern zuzumuten ist.
Fink ist gern der Ski-Postbote – sechs Tage die Woche, seit zehn Jahren: Wenn er mittags seine Zustellroute im Tal beendet hat, freut er sich schon darauf, nach oben zu fahren und dann die vier Kilometer wieder runter. Denn auf dem Berg macht er viel mehr als Briefe und Päckchen austragen und Ski fahren. „Die Menschen sind’s“, brummt Fink unter seinem dicken Schnauzbart hervor und fährt los.
Briefkästen gibt es hier nicht - der Postbote geht in die Stube
Ganz ruhig umkurvt er die Schneehügel auf der Piste. Dann lässt er sich vom Schwung bis zu einer Holzhütte mit Blechdach tragen. Der Postbote geht in die Stube. Briefkästen gibt es hier oben nicht, jeder bekommt seine Post persönlich. Die Berge haben ihre eigenen Spielregeln. „Hier gibt’s kein Sie, in den Bergen sagt man du.“
„Griaß’ di, Hans“, sagt die 78-jährige Hedwig Waller, als er eintritt. Sie sitzt im Rollstuhl. „Magst’ was essen?“ Fink gibt ihr die Post, während die beiden reden und lachen. „Ratschen gehört auch dazu“, sagt Fink und das sonnengegerbte Gesicht zeigt auf einmal ein herzliches Lachen. Doch nicht nur das: „Der Hedi und ihrem Sohn“ bringt Fink auch Tabletten von der Apotheke mit. Oder er nimmt etwas mit nach unten.
Bei Empfänger Nummer drei, der Speckalm, macht er das fast täglich. Den selbst gemachten Speck verschickt die Wirtsfamilie Ettenhuber nach ganz Deutschland. Die Päckchen sind so groß, dass sie gerade in den Postrucksack passen. Als Fink ankommt, herrscht Hochbetrieb auf der Terrasse. Alle Tische sind besetzt. „Ja, Servus Hans“, „Griaß’ di“: Es dauert, bis er es zur Theke geschafft hat. „Du vernachlässigst uns“, sagt die Wirtin Petra Ettenhuber. „Du hast uns schon lange nicht mehr beim Spülen geholfen“, fügt sie hinzu und lacht. Auch das macht der Postbote hier oben. „Ein Mann für alle Fälle“, sagt eine Kellnerin im Vorbeigehen und klopft ihm auf die Schulter.
Er arbeitet da, wo andere Urlaub machen
Ski-Postbote – ein Traumberuf? „Wenn’s Wetter passt, scho“, sagt Hans Fink und lacht. „Ich kann da arbeiten, wo andere Urlaub machen“, fügt er hinzu, und er lässt seine eisblauen Augen über die Skipiste schweifen. Allerdings: Wenn es sehr neblig ist, macht es nicht so viel Spaß. Doch schwer gestürzt ist er in all den Jahren trotzdem nicht. „Man muss halt aufpassen“, sagt er und trinkt seine Apfelschorle aus. „Servus“, ruft er und zieht den blauen Rucksack mit Posthorn wieder an. Dann schnallt er die Skier wieder an und fährt los. Immer kleiner und kleiner wird der grell gelbe Blickfang vor den mächtigen Bergen.
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