Den Fußballvereinen geht der Nachwuchs aus
Die Fußball-Euphorie erhält einen empfindlichen Dämpfer. Die Zahl der Jugendmannschaften in Vereinen sinkt teils dramatisch – auch in der Region. Ein Experte kennt die Gründe.
Es mag nicht so recht zusammenpassen. Da ist die Fußball-Euphorie in Deutschland so groß wie nie. Die Bundesliga meldet Jahr für Jahr neue Rekorde, auch was Zuschauerzahlen betrifft. Und doch rennen immer weniger Jugendliche in Vereinen selbst dem Ball hinterher.
Innerhalb von nur fünf Jahren ist die Zahl der männlichen Jugendmannschaften in Bayern von rund 20 700 auf 16 800 gesunken – ein Rückgang um gut 18 Prozent. In Schwaben beispielsweise gab es in der Saison 2007/2008 noch 281 A-Jugendmannschaften. Jetzt sind es nur noch 200. Oberbayern hat in den letzten fünf Jahren bei den 17- und 18-Jährigen über 100 Teams verloren. Dort sind es noch 387.
Nachwuchsmangel in Fußballvereinen: bedenkliche Entwicklung
Friedrich Glück, der beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) für Schwabens Nachwuchs zuständig ist, sagt: „Ich will nicht schwarz malen. Aber ich hoffe nicht, dass das Ganze mal so endet wie mit dem Feldhandball.“ Die Sportart, Vorläufer des Hallenhandballs, sei auch mal sehr populär gewesen. „Und heute?“ Spricht kein Mensch mehr davon.
So weit muss es nicht kommen. Wird es sicher auch nicht. Aber die Entwicklung ist bedenklich. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Zu allererst der demografische Wandel. Wobei: der Rückgang der Geburtenzahlen ist es nicht allein. Denn so richtig durchgeschlagen hat er noch gar nicht.
Es gibt mehrere Faktoren
BFV-Jugendleiter Glück zählt mehrere andere Faktoren auf. Etwa die oft mangelnde Bereitschaft, ehrenamtlich als Trainer oder Betreuer zu arbeiten. Der Alltag von Kindern, „oft vollgepackt mit Terminen“. Das Freizeitangebot, „so umfangreich wie nie“, sagt der Augsburger. Hinzu kämen die Herren-Mannschaften, die selbst Personalsorgen haben und „sich die Spieler aus der A-Jugend rausziehen“. Oder, ein Problem vieler Städte: Es fehlt an Sportplätzen. Und die vorhandenen seien oft uralt.
Auch bei den Mädchen ist der Rückgang deutlich spürbar. Hier war der Höhepunkt des Wachstums in Bayern im Jahr 2010 mit insgesamt 1305 Mannschaften. Zuletzt waren es noch 1069.
Beim Bayerischen Landes-Sportverband will man die Situation noch nicht dramatisieren. Das Erfolgsmodell Fußballverein sei lange nicht am Ende, sagt Geschäftsführer Thomas Kern. „Nirgendwo ist die Vereinstreue größer als in Bayern“, sagt der Augsburger. Klar sinke die Zahl der Kinder. Und dass vielerorts nicht mehr alle Altersklassen vertreten sind, damit müsse man sich auch abfinden. Aber das treffe viele Sportarten, Tischtennis beispielsweise. Und wenn sich viele Kinder lieber mit Funsportarten wie Slacklining vergnügen oder ins Fitnessstudio gehen, als sich in einem Verein zu binden, dann müssten die Klubs eben reagieren.
„Schauen Sie sich den TV Augsburg an“, sagt Kern. Ein Familienverein mit Tradition in Faustball oder Turnen. Aber eben auch einer, der ein Fitnessstudio mit Kletterwand gebaut hat und heute Dinge wie „Rope Skipping“, eine moderne Form von Seilhüpfen, oder „Cheerleading“ anbietet. Die Zahl der Mitglieder ist beim TVA jedenfalls in den letzten Jahren stark gestiegen.
Welche Folgen der Nachwuchsmangel für die Vereine hat, lesen Sie morgen im Titel-Thema der Augsburger Allgemeinen.
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