Eichenprozessionsspinner: Fast ganz Bayern ist Gefährdungsgebiet
Die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind bereits geschlüpft. Der Schädling ist besonders in Schwaben verbreitet. Schutzmaßnahmen gestalten sich schwierig.
Spaziergängern in ganz Schwaben bot sich im vergangenen Sommer das gleiche Bild: abgesperrte Bäume und Warnschilder in Stadtparks und am Waldrand. Der Grund dafür war der massive Befall der Eichen durch den Eichenprozessionsspinner. Jetzt, im Mai, geht die Zeit der großen Raupenwanderungen wieder los. "2020 sind die Raupen des Eichenprozessionsspinners ab der ersten Aprilwoche aus den Eiern geschlüpft", sagt Gabriela Lobinger von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).
Bereits im August/September legt der Eichenprozessionsspinner seine Eier ab. Im Herbst entwickeln sich die Eiraupen, die im Eigelege überwintern. In einem Gelege können bis zu 150 Raupen heranwachsen. Aktuell sind die Raupen erst zwischen fünf und sieben Millimeter groß. Es brauche ein gutes Auge, um die Raupenfamilien und Häutungsgespinste an den Ästen der Eiche jetzt zu entdecken, meint die Expertin. Ende Mai, wenn die Raupen am Ende ihrer Entwicklung stehen, werden die Raupenkolonien und ihre festen Gespinstnester gut sichtbar.
Corona-Mundbedeckung schützt nicht vor allergischer Reaktion
Die Raupen verursachen massive Fraßschäden, bevor sie sich Ende Juni verpuppen. Zudem enthalten die sogenannten Brennhaare der Raupen eine Substanz, die giftig ist. Ihre toxischen Bestandteile können eine allergische Reaktion inklusive Hautentzündung hervorrufen, wenn eine Person mit den Haaren der Raupen, den Nestern, Häutungsresten oder mit Brennhaaren kontaminierten Faltern in Berührung kommt. Betroffene leiden unter Juckreiz, Hautrötung und Bläschen und das bis zu zwei Wochen lang, heißt es auf der Webseite des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
Das LGL empfiehlt im Falle eines Kontakts mit den Haaren, die Kleidung zu wechseln und das Kopfhaar zu waschen. Die Mund-Nasen-Masken, die während der Corona-Pandemie aktuell in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr getragen werden müssen, schützen laut LGL übrigens nicht vor einer allergischen Reaktion. Sie böten "keinen ausreichenden Schutz hinsichtlich der durch Haare des Eichenprozessionsspinners ausgelösten Entzündungen im Rachenbereich und in den oberen Luftwegen", so eine Pressesprecherin des LGL. Daher sollten die Befallsareale grundsätzlich gemieden werden.
Verbreitung des Eichenprozessionsspinners für 2020 nicht vorhersagbar
Noch sei nicht abschätzbar, wie groß das Ausmaß der Belastung durch den Eichenprozessionsspinner für die einzelnen Regionen in Bayern in diesem Jahr sein werde, sagt Lobinger. Sie erklärt: "Der Besatz mit Gespinstnestern aus dem Vorjahr lässt keinen sicheren Schluss darauf zu, dass 2020 ebenfalls hohe Dichten herrschen werden."
Für die Dichteentwicklung des Eichenprozessionsspinners spielt die Witterung im Jungraupenstadium eine bedeutende Rolle. Die Raupen fressen normalerweise nur nachts. Wenn sie sehr jung sind und es nachts unter fünf Grad hat, fressen sie nicht. Ist es tagsüber dazu noch sehr warm, verbrauchen sie viel Energie. "Das halten sie 14 Tage durch", sagt die Expertin für Waldschutz, dann sterben sie.
Die LWF führt aufgrund des hohen Aufwands keine routinemäßigen bayernweiten Erhebungen zur Verbreitung des Schädlings durch. Es gibt jedoch Erhebungen in Eichenwäldern mit vorangegangenem Kahlfraß zur Abklärung notwendiger Schutzmaßnahmen für den Erhalt der Eichenbestände. "Kerngebiete mit derzeit hohen Dichten und kleinräumiger Massenvermehrung des Eichenprozessionsspinners im Wald und im Offenland sind Unter- und Mittelfranken, Teile Oberfrankens, die westliche Oberpfalz, nördliches Oberbayern und Schwaben", sagt Lobinger. "Generell ist nahezu ganz Bayern Gefährdungsgebiet."
Eichenprozessionsspinner vermehrt sich massenhaft im Zehn-Jahres-Rhythmus
Im Allgemeinen besiedelt der Eichenprozessionsspinner bevorzugt einzeln stehende oder kleine Gruppen von Eichen, die gut besonnt sind. "Daher tritt der Befall auch zuerst und vorwiegend an Straßenalleen, Stadt- und Parkbäumen, Bäumen in Gärten oder Anlagen sowie an besonnten Waldrändern auf. Dort ist in den stark betroffenen Gebieten mittlerweile auch eine chronisch hohe Befallsrate zu beobachten", sagt die Waldschutzexpertin.
Der Massenbefall von Eichen durch den Schädling ist kein neues Phänomen. Seit Ende der 1990er Jahre beobachten Forscher einen zunehmenden Befall auch in Waldgebieten. Besonders stark breitete sich der Eichenprozessionsspinner im Inneren der Wälder auf der Fränkischen Platte in den Jahren 2006 bis 2008 aus und sorgte für Kahlfraß. Ab 2009 verzeichnete das Institut in Unterfranken einen rückläufigen Befall, bevor die Dichte 2016 wieder stark zunahm. Lobinger sagt: "Es zeichnet sich ein circa zehnjähriger Rhythmus für lokale Massenvermehrungen ab."
Doch etwas ist neu: Die damaligen Kerngebiete wie der Landkreis Würzburg und der Landkreis Kitzingen sind heute nicht mehr die am stärksten betroffenen Regionen. Das Problem hat sich verlagert. "Aktuell gehören Schwaben und der Landkreis Donau-Ries zu den Hotspots", sagt die Expertin.
Beseitigung der Raupenkolonien sollte Experten überlassen werden
Eine wichtige Maßnahme, um Personen vor dem Kontakt mit den gefährlichen Raupen zu schützen, ist das Absperren stark befallener Bäume und das Aufstellen entsprechender Hinweisschilder. Die Entfernung der Raupen und ihrer Nester gestalte sich schwierig, sagt Lobinger. Die Beseitigung der Gespinstnester sollte in die Hände von sachkundigen Firmen gegeben werden, betont sie. Spezialisierte Firmen können die Raupenkolonien und Nester mit Hilfe einer Hebebühne und einer speziellen Absaugvorrichtung entfernen.
Das Entfernen sei aber erst möglich, wenn die großen Raupenkolonien und erste Verpuppungsgespinste auftreten, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Die giftigen Brennhaare sind da bereits ausgebildet. Lobinger meint, eine vollständige Beseitigung sei bei großen Baumkronen nahezu unmöglich.
Auch spezielle Biozide können bereits gegen die Jungraupen in die Baumkronen gesprüht werden. Sie verhindern die Ausbildung der Brennhaare. "Die Präparate müssen durch Fraß aufgenommen werden, haben keine Kontaktwirkung und wirken - je nach Präparat - nur auf Insekten oder sogar nur auf Schmetterlingsraupen," erklärt Lobinger. Doch der Einsatz der Biozide wird von Naturschützern kritisiert, es gebe keine Garantie, dass nicht auch andere Insekten wie Bienen beeinträchtigt würden.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wäre ein allgemeines und streng überwachtes Betretungsverbot der Wälder und Felder in Deutschland, oder besser in ganz Europa, nicht sicherer für alle Menschen?