Eiskalt erwischt
Wegen des heftigen Schneefalls sind mehrere Dörfer von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten. Wie dramatisch die Situation ist und wie sich das Wetter noch auf Bayern auswirkt
Bei Bürgermeister Georg Riesch klingelt am Mittwoch ohne Unterlass das Telefon. Am Vormittag meldeten Medien: „Jachenau von der Außenwelt abgeschnitten“. Oder: „In der Jachenau herrscht Ausnahmezustand.“ Bundesweit ist das Interesse an der kleinen Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen überwältigend. Wie geht es den Dorfbewohnern?
Riesch begegnet den Katastrophenmeldungen wie den Schneemassen – mit sehr viel Pragmatismus (siehe Interview nebenan). Noch hat er auch keinen Grund zur Panik – schließlich ist Jachenau eine Verbindung zur Außenwelt verblieben, eine Privatstraße, die am Walchensee entlangführt. Für den Ernstfall stehen ein Rettungswagen und eine Notärztin bereit, ein Transporter der Feuerwehr versorgte am Mittwoch den Ort mit Lebensmitteln. Denn wer weiß schon, was geschieht, wenn es weiterschneit.
Jachenau ist längst nicht der einzige Ort, der derzeit mit dem Schnee zu kämpfen hat. Der Kleinwalsertaler Ortsteil Baad ist seit Mittwochmittag von der Außenwelt abgeschnitten. Wegen der großen Lawinengefahr – derzeit herrscht Stufe 4 von 5 – ist die Straße dorthin gesperrt. 50 bis 70 Häuser sind betroffen, sagt Andi Haid, der Bürgermeister. Wer von Baad aus morgens ins Oberallgäu zur Arbeit fuhr, musste sich dort am Abend nach einer Übernachtungsmöglichkeit umschauen.
Die Situation hat natürlich auch Auswirkungen auf die Urlauber, die eigentlich zum Skifahren in die Region gekommen waren. Ivana Knajzl betreibt seit 2014 mit ihrer Familie das Alpenhotel Widderstein. Sie sagt: „Eine Straßensperrung hat es in diesen Jahren noch nie gegeben.“ Am Wochenende ist das 50-Betten-Haus ausgebucht. Die Betreiberin hofft, dass dann die Verbindung wieder befahrbar ist. Die Urlauber, die im Hotel gestrandet sind, haben sich derweil mit der Situation arrangiert. „Nach dem ersten Schreck, dass wir nun abgeschnitten sind von der Außenwelt, haben wir uns damit abgefunden, dass wir ein paar Tage länger bleiben“, sagt Daniela Calucci, die eigentlich nur bis Mittwoch mit ihrem Freund im Hotel bleiben wollte.
Nach dem starken Schneefall der vergangenen Tage sitzen auch bei Berchtesgaden rund 350 Menschen fest und müssen per Lastwagen mit Lebensmitteln versorgt werden. Die einzige Straße zum Ortsteil Buchenhöhe sei bis auf Weiteres gesperrt, sagte ein Sprecher des Landratsamtes Berchtesgadener Land am Mittwoch. Am Mittwochvormittag sei damit begonnen worden, die Strecke zu räumen. Mehrere Bäume drohten unter der schweren Schneelast umzustürzen und sollten gefällt werden. Nur Einsatzkräfte konnten die eingeschneiten Bewohner über die Straße erreichen.
Jachenau, Kleinwalsertal, Berchtesgadener Land: Diese drei Beispiele zeigen deutlich, dass der Winter den Süden Bayerns fest im Griff hat. Das belegen auch die vielen Unfälle. In weiten Teilen des Freistaats kamen viele Autos und Lastwagen von der Straße ab oder blieben an schneebedeckten Steigungen hängen. In Oberfranken zählte die Polizei 13 Unfälle mit einem Verletzten. In Niederbayern verletzten sich bei Unfällen zwei Menschen leicht und einer schwer. Im Norden Schwabens führte das Wetter laut Polizei zu mehr als 20 Unfällen. Im morgendlichen Berufsverkehr stauten sich auf der A9 bei München die Fahrzeuge wegen des Schneefalls auf mehr als 20 Kilometer. Die A8 in Richtung München war von 5.30 Uhr bis kurz vor neun Uhr – ebenfalls mitten im Berufsverkehr – ab Friedberg nach einem Unfall am Derchinger Berg komplett gesperrt, hier stand ein Transporter mit zwei Autos auf dem Anhänger quer über alle Fahrbahnen.
In Herrieden (Landkreis Ansbach) wurden bei einem Schulbusunfall auf schneeglatter Straße zwölf Kinder leicht verletzt. Der Bus mit 70 Schülern geriet in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn und streifte einen entgegenkommenden Bus, in dem keine Passagiere saßen. Der Schulbus kam anschließend von der Straße ab und prallte gegen zwei Bäume. Viele Insassen erlitten Prellungen und kleinere Schnittverletzungen. Auch im Berchtesgadener Land kam es zu einem Schulbusunfall auf nasser Straße, bei dem 21 Kinder leicht verletzt wurden.
Viele Menschen fragen sich angesichts solcher Nachrichten: Geht das nun so weiter? Eine wirkliche Entwarnung gibt es nicht: Laut Deutschem Wetterdienst ist bis mindestens Mitte nächster Woche vor allem im Alpenraum mit Schnee zu rechnen. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.