Die starke Stimme der Kommunen
Der Gemeindetag wird 100 Jahre alt. Eine Ausstellung führt durch seine Geschichte
München Immer wenn die Staatsregierung in den Geldbeutel der Kommunen des Freistaats greift, erhebt sich in München eine Stimme, der Bayerische Gemeindetag. Seit 100 Jahren macht er für die kreisangehörigen Gemeinden und Städte Politik, wirkt bei Gesetzen mit, berät und unterstützt seine Mitglieder. Seine Ausrichtung hat sich kaum verändert, obwohl die Kommunen längst zu professionellen Unternehmen geworden sind.
Am 25. Februar 1912 trafen sich die 56 Gründer des „Verbands der Landgemeinden Bayerns“ im Stadlerbräu in Kolbermoor bei Rosenheim. Die Welt sah damals noch anders aus: Dörfer waren Gemeinwesen, in denen jeder mithelfen musste. Brach in der Dorfstraße ein Schlagloch auf, besserte es ein Bürger mit den eigenen Händen aus und den Job des ehrenamtlichen Gemeindeschreibers übernahm häufig der Ortslehrer, um sich sein karges Gehalt aufzubessern.
Weil 1912 noch Faselviehhaltung betrieben wurde, sorgte die Gemeinde sogar für den Nachwuchs von Kühen und Schweinen. Jedes Dorf hielt sich einen Bullen und einen Eber. Ging einer Kuh die Milch aus, marschierte der Besitzer mit ihr zum Landwirt, in dessen Stall das Faselvieh stand, und ließ sie vom gemeindeeigenen Stier decken. Der Bürgermeister kassierte dafür eine Gebühr (Sprunggeld).
Wenn die Straße heute kaputt ist, rollt der Lkw des Bauhofs an, in der Ratssitzung sitzt ein Angestellter, der das Protokoll führt. Die Bürgermeister und ihre Verwaltungen haben sich professionalisiert. Aus der Amtsstube heraus stellen sie ihren Bürgern die Infrastruktur zum Überleben zur Verfügung, errichten schnelle Breitbandnetze, erhalten die Abwasserkanäle oder eröffnen Kindertagesstätten.
Trotz der Professionalisierung inden Rathäusern kommen die Kommunen nicht ohne den Gemeindetag aus. Gründervater Edmund Bergmann und seinen Mitstreiter ist es vor hundert Jahren gelungen, eine Organisation zu schaffen, die alle Neuerungen überlebt hat. „Es ist erstaunlich, wie kontinuierlich das Ganze ist“, sagt Heinrich Wiethe-Körprich, Verwaltungsdirektor beim Gemeindetag. Verändert hat sich der Name und aus 56 sind 2023 Mitglieder geworden. Bis heute macht sich der Verband für Städte und Gemeinden gegenüber der Staatsregierung stark. „Wenn jeder für sich seine Stimme erhebt, würde niemand gehört“, sagt Wiethe-Körprich. Das ist unter Ministerpräsident Horst Seehofer so und das war 1912 so, als Prinzregent Luitpold in Bayern das Zepter in der Hand hielt.
Ausstellung Durch die Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung und des Bayerischen Gemeindetags führt ab morgen bis zum 30. März eine Ausstellung im Münchner Hauptstaatsarchiv.
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