Ein Zehnerl mehr für die Milch
Ein Kaufmann sagt dem niedrigen Milchpreis den Kampf an. In seinen Läden im Chiemgau zahlen die Kunden freiwillig mehr für den Liter Milch.
Chieming Josef Pfeilstetter ist kein selbstloser Wohltäter, sondern ein kühl kalkulierender Kaufmann. Auch in den sieben Edeka-Märkten, die der 46-Jährige im Chiemgau betreibt, wird mit spitzem Stift gerechnet. Dass ein Bauer heute für einen Liter Milch teilweise nur noch 20 Cent von seiner Molkerei bekommt, fuchst allerdings auch den Händler Pfeilstetter - und mündet nun in eine einmalige Aktion: In seinen Läden zahlen Kunden freiwillig mehr für Milchprodukte.
An den Kühlregalen hängen dort kleine Boxen mit bunten Aufklebern, den so genannten Milchzehnerln. Jeder Kunde, der findet, dass die heimischen Bauern zu schlecht entlohnt werden, kann beim Einkauf eine solche Plakette auf seine Milch, auf den Quark, die Butter oder den Joghurt kleben - und zahlt an der Kasse für jedes Papperl zehn Cent zusätzlich. Einmal im Monat will Pfeilstetter die Einnahmen aus den Zehnerln den Milchbauern direkt auszahlen. Welche Summen zusammenkommen, weiß er selbst noch nicht. Wenn auf jedem Liter Milch sein buntes Zehnerl kleben würde, schätzt er, "hätten wir 10 000 Euro im Monat". Anfang August wird erstmals abgerechnet.
Er will zum Nachdenken anregen
Nachdenklich gemacht hat Pfeilstetter nicht zuletzt eine Nachricht von der nahen Bründlingalm am Hochfelln. Zum ersten Mal seit 500 Jahren grasen dort in diesem Sommer keine Kühe - weil der Aufwand sich für die Bauern unten im Dorf nicht mehr lohnt. Natürlich, räumt er ein, werde auch seine Aktion die Probleme am europäischen Milchmarkt nicht lösen. Sollte sie die Verbraucher jedoch zum Nachdenken und zum bewussteren Einkaufen anregen, "ist schon viel gewonnen".
250 Gramm Butter, rechnet er vor, gebe es heute im Supermarkt schon für 65 Cent. "Das ist billiger als vor 50 Jahren." Bei ihm aber habe der Kunde mit dem Milchzehnerl auf der Butter "wenigstens sein Gewissen beruhigt". 2000 Euro hat Pfeilstetter in eine kleine Werbekampagne für die neuen Aufkleber gesteckt - und auch selbst viel Überzeugungsarbeit geleistet. Einigen Landwirten musste er dabei erst erklären, dass sein Milchzehnerl vor allem eines ist: eine Geste des guten Willens - "und kein Almosen".
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